Angela Merkel signiert ihr Buch – das Werk mit 736 Seiten kostet 42 Euro. Foto: dpa

Händler äußern sich hinter vorgehaltener Hand über einen relativ verhaltenen Verkaufsstart des neuen Merkel-Buchs. Hilft der Ex-Kanzlerin die Unterstützung von Barack Obama?

Für ihre ärgsten Kritiker sei vermutlich schon der Titel „Freiheit“ eine Provokation, meint die FAZ in einer Besprechung zur neuen Merkel-Autobiografie. Großes Medieninteresse an der Ex-Kanzlerin gab es seit dem Erscheinungstag dennoch.

 

Doch nun scheint das 736 Seiten lange Merkel-Buch laut Medienberichten eher zu floppen. Von „Banalitäten“ schreiben sowohl die Welt als auch der Spiegel. Am ersten Verkaufstag wurden lediglich 35.046 Exemplare abgesetzt - eine Zahl, die zwar nicht ganz schlecht ist, aber deutlich hinter den hochgesteckten Erwartungen zurückbleibt. Zum Vergleich: Sebastian Fitzeks neuer Thriller „Das Kalendermädchen“ verkaufte sich am Erscheinungstag mehr als doppelt so oft.

Kurve der Google-Suchanfragen: kein Interesse an Angela Merkel? Foto: ZGS/mic

Auch in den Google-Trends zeigt sich seit dem Erscheinungstag am 26. November sinkendes Interesse an Angela Merkel. Haben die Deutschen etwa mit ihrer nicht immer von Fortune geprägten Amtszeit abgeschlossen und wollen den Blick nun auf andere Themen richten? Für ein endgültiges Urteil der Zeitgeschichte über die polarisierende Ex-Politikerin dürfte der Abstand zu ihrer Verabschiedung aber noch zu kurz sein.


Buchhändler klagen über Merkel

Angela Merkel hatte im November eine Medienkampagne gestartet, die von einem großen Spiegel-Interview über einen Bericht in der New York Times bis hin zu einem YouTube-Gespräch mit Hazel Brugger reichte. Dennoch ist man in der Branche nicht unbedingt zufrieden: „Buchhändler beklagen jedoch hinter vorgehaltener Hand, das Buch liege wie Blei in den Regalen“, schreibt die Berliner Zeitung. Es gebe dafür mehrere Gründe. Unter anderem sei auch der Preis von 42 Euro in Inflations- und Krisenzeiten wohl deutlich zu hoch.

Zudem hat sich in der Berichterstattung herauskristallisiert, dass Merkel zu heißen Eisen wie der Corona-Politik, Migration oder dem Verhältnis zu Russland eher zurückhaltend oder rein rechtfertigend Stellung bezieht.

Friedrich Merz gratulierte Merkel wärmstens zum 70. Geburtstag, aber hilft ihm ihr Buch nun im Wahlkampf? Foto: dpa/Kay Nietfeld

Merkel mit Buletten statt Ghostwriter

Auch wurde „Freiheit“ offenbar nicht von einem Ghostwriter verfasst, sondern mit Hilfe von Merkel-Büroleiterin Beate Baumann in Berlin. Zum Beispiel wird geschildert, wie Merkel sowohl zu ihrem Amtsantritt 2005 als auch zu ihrem Abschied im Kanzleramt 2021 Würstchen, Buletten und Kartoffelsalat servieren ließ. Zwischen Biedermeier und trockenem Humor à la Angela: An spritzigen Passagen scheint es im Merkel-Buch unter dem Strich aber eher zu mangeln.

Fakten zum Merkel-Buch

  • Titel: „Freiheit - Ein Plädoyer“
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Holtzbrinck)
  • Erscheinungsdatum: 26. November 2024
  • Umfang: 736 Seiten
  • Preis: 42 Euro
  • Format: Hardcover mit Schutzumschlag
  • Genre: Politische Memoiren/Autobiografie
  • Ort der Buchpremiere: Deutsches Theater Berlin
  • Autorin: Angela Merkel (in Zusammenarbeit mit Beate Baumann)
Merkel-Autobiografie im Buchhandel. Foto: ZGS/StZN/Michael Maier

Merkels Zitteranfälle und Ehe

Immerhin liefert Angela Merkel im Nachhinein eine Erklärung für einige persönliche Dinge wie ihre Zitteranfälle im Jahr 2019. Ihre charakterliche Widerborstigkeit spiegelt sich aber auch darin wider, dass sie Ehemann Prof. Joachim Sauer laut Autobiografie erst Ende 1998 nach dem Gang der Union in die Opposition ehelichen wollte. Im Buch offenbart sie nun, dass sie gegenüber offenbar stirnrunzelnden CDU-Granden nicht den Eindruck erwecken wollte, es gehe beim Beenden der „wilden Ehe nach Scheidung“ nur um die Karriere.

Nach einem Vortrag zum Thema Abtreibung bei einer Klausurtagung der Union habe sich der Nacken der damaligen Familienministerin Merkel übrigens einmal so versteift, dass sich die Verspannungen erst mit monatelanger Physiotherapie gelöst hätten. „Selbstverständlich wähle ich CDU“, versicherte die Ex-Kanzlerin nun aber trotzdem in einem TV-Interview.

Merkel und Barack Obama

Ein kleiner Trost mag sein, dass Barack Obamas Autobiografie „Ein verheißenes Land“ 2020 mit knapp 16.000 verkauften Exemplaren am ersten Tag in Deutschland schlechter startete als Merkels „Freiheit“. Finanziell dürfte der verhaltene Verkaufsstart für sie ohnehin keine Rolle spielen, den Autoren ihres Kalibers erhalten üblicherweise millionenschwere Vorschüsse, unabhängig von den tatsächlichen Verkaufszahlen allein für den Promi-Status. Bei Merkel war in Medienberichten sogar von einem zweistelligen Millionenbetrag die Rede, obwohl der Verlag dazu keine Stellung genommen hat.

Merkel, Obama und der Holtzbrinck-Verlag

Ob dem Buch die gemeinsame Präsentation mit Ex-US-Präsident Barack Obama vom 2. Dezember zu mehr Erfolg verhelfen wird, bleibt indes abzuwarten, herrscht bei den Demokraten doch Katzenjammer nach der blamablen Wahlniederlage gegen Donald Trump und die Republikaner. Gäste zahlten zwar 400 Dollar Eintritt für den Abend mit Merkel, aber wirklich Tiefschürfendes war dabei nicht zu hören.

Der Verlag Kiepenheuer & Witsch, der zur in Stuttgart ansässigen Holtzbrinck Publishing Group gehört, trägt dabei das wirtschaftliche Risiko für das ambitionierte Erscheinen in gleich 30 Ländern weltweit. Bei einem Flop könnte das womöglich auf Kosten von journalistischen Zukunftsprojekten bei Holtzbrinck gehen.