Neu im Daimler-Vorstand: Ola Källenius Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Daimler hat 2015 zum Jahr der Geländewagen ausgerufen. Viele neue Modelle kommen auf den Markt. Mercedes-Vertriebschef Ola Källenius sieht noch kein Ende des Booms. Außerdem spricht er im Interview über Brennstoffzelle und E-Antrieb sowie das Autohaus der Zukunft .

Stuttgart - Herr Källenius, Sie sind seit Jahresanfang Mitglied im Vorstand. Hat sich Ihr Alltag dadurch sehr verändert?
Es kommen ein paar Sitzungen dazu, aber die Hauptaufgabe bleibt: Wir möchten Kunden für die Marke Mercedes-Benz begeistern und gemeinsam mit unseren Entwicklungskollegen neue, faszinierende Modelle auf den Markt bringen.
Konzernchef Dieter Zetsche hat gesagt, in China werde das Rennen um die Führung bei den Premiumherstellern entschieden . . .
Wichtig für den Erfolg ist, unsere Produkte den jeweiligen Marktbedürfnissen anzupassen. Die C-Klasse bieten wir beispielsweise mit verlängertem Radstand an, da die chinesischen Kunden einen größeren Fußraum sehr schätzen. Entscheidend ist auch, nahe am Kunden zu sein, daher haben wir im vergangenen Jahr pro Woche zwei neue Händler an den Start gebracht.
Was sind die nächsten Schritte in China?
Wir werden weiter wachsen – unter anderem dank attraktiver neuer Modelle und dem weiteren Ausbau unseres Händlernetzes. In wenigen Wochen starten wir die Produktion des GLA für den lokalen Markt in China. Im Luxussegment wird China für die Mercedes-Maybach S-Klasse sicher der wichtigste Markt sein.
Mercedes hat 2015 als Jahr der neuen Geländewagen ausgerufen. Wo sehen Sie die Grenzen dieses Booms?
Seit wir mit der ersten M-Klasse das Premium-SUV-Segment eröffnet haben, ist der Trend ungebrochen. Er reicht vom GLA bis zum großen GL, der zukünftig GLS heißen wird – und von Europa bis nach China und in die USA. Den Kunden gefallen das sportliche Design, die hohe Sitzposition und die Vielfalt der Modelle. Durch unsere modernen Motoren und die Möglichkeit des E-Antriebs bei unseren Plug-in-Hybriden schließen sich Geländewagen und Effizienz nicht mehr aus. Wir erwarten weiter eine starke Nachfrage.
Die Produktoffensive von Mercedes ist beeindruckend – aber ist nicht jede Nische irgendwann besetzt?
Ein Teil unseres starken Wachstums der letzten 15 bis 20 Jahre ist zweifellos auf die Ausweitung unserer Modellpalette zurückzuführen. Wir decken heute mehr Segmente ab als je zuvor. Bis 2020 werden wir noch mindestens elf weitere Modelle ohne Vorgänger auf den Markt bringen. Gleichzeitig kommt es aber darauf an, den Markt erfolgreich zu bearbeiten und mehr von den Modellen zu verkaufen, die man bereits im Portfolio hat.
Während Mercedes weltweit wächst, stagnieren die Verkaufszahlen in Deutschland seit vielen Jahren . . .
Wir sind mit der Performance im hart umkämpften deutschen Markt sehr zufrieden. Wir sind Marktführer mit einem Marktanteil von neun bis zehn Prozent und wollen diese Position halten. Mit einem dynamischen Wachstum im deutschen Markt ist in den nächsten Jahren allerdings nicht zu rechnen.
Bei den alternativen Antrieben wird die nächste Batteriegeneration für E-Autos die Reichweite erheblich erhöhen. Was bedeutet dies für die Brennstoffzelle?
Für batterieelektrische Fahrzeuge stellen die Reichweite und Ladezeit die größten Herausforderungen dar. Für die City-Mobilität reichen diese heute schon aus. Mit dem Smart und der B-Klasse bieten wir dafür ein Angebot, bei dem man keine Kompromisse eingehen muss. Um auf der Langstrecke so weit zu sein, muss noch viel passieren. Die Brennstoffzelle bietet nicht nur die größere Reichweite, sondern auch die wesentlich kürzere Betankungszeit. Bei diesem Rennen können wir nicht nur auf ein Pferd setzen, wir müssen beide Technologien voranbringen.
Kann es nicht sein, dass das eine Pferd davonzieht, bevor das andere in der Startbox steht?
Es ist zu früh, um darüber zu spekulieren. Im Moment gibt es sehr viel Dynamik in beiden Technologien. Wir werden in jedem Fall beide Pferde im Rennen halten.
Das Ziel, 2017 ein Brennstoffzellenfahrzeug in Serie zu produzieren, ist also nicht gefährdet?
Wir arbeiten bereits an den nächsten Fahrzeugen. Das Ziel bleibt weiter bestehen.
Sie haben den Vertrieb von Mercedes in Deutschland neu organisiert, Niederlassungen zusammengelegt oder zum Verkauf angeboten. Wie fällt die Bilanz aus?
Uns geht es darum, in Deutschland eine intelligente Netzstruktur zu schaffen, um unseren konzerneigenen Vertrieb für die Zukunft auszurichten. Wir haben bisher 60 Prozent der Fahrzeuge über unsere eigenen Niederlassungen verkauft. So eine hohe Quote hat kein anderer Hersteller. Wir möchten eine optimale Betreuung unserer Kunden sicherstellen, langfristig wirtschaftlich und profitabel agieren und somit Arbeitsplätze sichern. Daher haben wir uns überlegt, welche Standorte zusammengelegt werden können, wo Kooperationen zwischen Vertragshändlern möglich sind und wo Investoren ins Spiel kommen. Mit den Arbeitnehmervertretern zusammen haben wir die Übergänge geregelt. Erste Verkäufe sind bereits in Hessen und im Osten Deutschlands angelaufen.
Was spart der Konzern dadurch?
Genaue Zahlen möchte ich nicht nennen, aber natürlich geht es bei der Optimierung des Händlernetzes auch um eine Kostensenkung.
In Hamburg experimentieren Sie mit einem kleinen Mercedes-me-Store in der Innenstadt. Sieht so die Zukunft des Autohauses aus?
Wir setzen verstärkt auf eine innerstädtische Präsenz und bewegen uns gezielt dorthin, wo sich potenzielle Kunden aufhalten, um ihnen in ihren Lebenswelten zu begegnen. Damit haben wir schon früher angefangen als viele andere Hersteller – mit unseren Mercedes-Benz Galleries in großen Städten wie Paris. Der Mercedes-me-Store in Hamburg ist eine Erweiterung – ein Clubhaus für Mercedes-Fans. Er bietet den Kunden und Interessenten eine Kombination aus Fahrzeugpräsentation, Gastronomie, Events, Information, Beratung sowie digitalen Interaktionsmöglichkeiten.
Kann man dort auch ein Auto kaufen?
Über digitale Bildschirme lässt sich ein Auto komplett konfigurieren. Wer einen Kaufvertrag abschließen will, kann dies im Store tun. Die weitere Abwicklung und Fahrzeugübergabe findet beim Händler statt.
Ist das klassische Autohaus im Gewerbegebiet nicht mehr zeitgemäß?
Der klassische Handel bleibt das Rückgrat des Vertriebs und der wichtigste Kundenkontaktpunkt. Nur in einem traditionellen Autohaus gibt es genügend Platz, um alle unsere Modelle auszustellen. Der Kunde erwartet eine persönliche Ansprache und einen physischen Auftritt, der zur Marke Mercedes-Benz passt. Die digitale Präsentation von Autos ist auch im traditionellen Autohaus sehr stark gewachsen und verbessert worden.
Wann kommt ein Mercedes-me-Store nach Stuttgart?
Wir gestalten derzeit unsere Galleries in Mercedes-me-Stores um und eröffnen neue Stores, etwa in Peking, Hongkong oder Moskau. In Stuttgart ist noch kein Mercedes-me- Store in Planung, aber das nehme ich gerne als Wunsch auf.
Mit Mercedes me ist ja auch ein Serviceangebot über das Internet verbunden. Wann wird die Vernetzung mit dem Fahrzeug voll verfügbar sein?
Die technologische Basis haben wir bereits geschaffen. Unsere Connect-me-Angebote waren zuerst im C-Klasse T-Modell verfügbar, weitere Autos folgten. So lässt sich über das Smartphone schon heute der Standort des Fahrzeugs anzeigen oder die Standheizung bedienen, Reparaturempfehlungen werden in Zukunft eingeblendet, lange bevor die Bremsbeläge gefährlich verschlissen sind. Unter der Dachmarke Mercedes me ergänzen wir dieses Angebot Schritt für Schritt um andere Dienstleistungen, etwa die Finanzierung oder die Vereinbarung eines Termins in der Servicewerkstatt. Mit Mercedes me bieten wir unseren Kunden ein Rundum-Service-Paket, das sie so bisher noch von keinem Hersteller bekommen haben und das dem Premiumanspruch der Marke Mercedes-Benz entspricht.
Sie sind das jüngste Vorstandsmitglied. Können Sie sich vorstellen, eines Tages an der Spitze des Konzerns zu stehen?
Diese Frage stellt sich bei uns nicht.