Daimler-Chef Dieter Zetsche präsentiert in Paris das erste Auto der Marke EQ. Foto: EPA

Der Konzern startet bei der E-Mobilität durch und muss auch die Beschäftigten mitnehmen, meint Autor Klaus Köster.

Stuttgart - Schon kurz nach seinem Amtsantritt sprach Daimler-Chef Dieter Zetsche von der „Neuerfindung des Automobils“. Nun, gut zehn Jahre später, zeigt sich immer deutlicher, was damit gemeint war. Mit der neuen Elektromarke und dem rein elektrisch fahrenden Geländewagen geht der Konzern mutige Schritte in die Zukunft – allerdings nicht als erster. BMW ist bereits seit einigen Jahren mit einer eigenen Elektromarke am Start. Allein der i3 läuft bei der Statistik zur Kaufprämie für E-Autos allen anderen Autos den Rang ab und ist bisher viermal so stark vertreten wie die gesamte förderfähige Mercedes-Flotte. Im Luxussegment ist bisher der US-Hersteller Tesla Kundenliebling. Der Handlungsbedarf ist also da, und Mercedes handelt.

Das Rennen um die Zukunft des Automobils ist allerdings kein Sprint, sondern ein Marathonlauf. Der gute Start verschafft BMW einen Vorsprung, aber keinen, der uneinholbar wäre – zumal Daimler seinerseits mit seinem Car2Go-Konzept eine gute Position auf dem wichtigen Markt des Carsharing, also der gemeinsamen Nutzung von Autos, hat. Mit der neuen Marke und deren Start im Segment der Geländewagen setzt Mercedes auf einen wachstumsstarken Markt – und auch darauf, nicht nur die Stammkundschaft zu erreichen, sondern auch jüngere Interessenten anzusprechen. Diese Strategie hat bereits bei der Modernisierung und Ausweitung der A-Klasse funktioniert, und die Chancen stehen gut, dass sie auch mit der neuen Marke funktioniert, die sich mit ihren bildschirmgesteuerten Bedienkonzepten ans technikbegeisterte Publikum wendet.

Je stärker das E-Auto in den Vordergrund drängt, desto wichtiger wird an den Standorten die Frage, wo es gebaut wird – und woher seine Teile kommen. Hier gibt es von der Konzernführung bisher nur vage Aussagen, was von Beschäftigten als beunruhigend empfunden wird. Die zentrale Aussage des Unternehmens ist bisher, dass sich der Wandel langsam vollziehen wird. Doch die Zeit läuft, und Verbrennungsmotoren und Getriebe, wie sie in Untertürkheim vom Band laufen, werden zwar im Hybridfahrzeug noch benötigt, nicht aber im reinen Elektroauto, wie Daimler es nun auf dem Markt bringt. Die Sorge von Betriebsratschef Michael Brecht, dass es „eines Tages leer stehende Gebäude und Flächen“ gibt, ist berechtigt – und bringt Daimler in ein Dilemma. Denn einerseits produziert der Konzern im Vergleich zu anderen zu vieles zu hohen Kosten selbst – andererseits gibt es aber eine Verantwortung, die Beschäftigten beim Gang ins neue Zeitalter mitzunehmen. Über die Frage, wie viele Mitarbeiter Daimler auf diesem Weg benötigt, und was das mit den Lohnkosten zu tun hat, dürften Belegschaft und Vorstand somit noch harte Debatten führen.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de