Viele namhafte Unternehmen – allen voran die Automobilhersteller – ziehen sich zur Unterstützung der Wirtschaftssanktionen aus Russland zurück. Für manche ist es womöglich ein Abschied auf sehr lange Zeit.
Stuttgart - Eine Woche nach Kriegsbeginn in der Ukraine zeigt sich die deutsche Wirtschaft trotz der rasant wachsenden Probleme sehr geschlossen. Durchweg verurteilen die Unternehmen die völkerrechtswidrige russische Aggression. „Frieden ist die Basis für Freiheit und Wohlstand“, betonte Rainer Dulger, Arbeitgeberpräsident und Präsident der Unternehmer Baden-Württemberg, am Freitag. „Wer diese Basis mutwillig zerstört, muss mit unserem entschlossenen Widerstand rechnen.“ Der Krieg und die Verteidigung der Freiheit werde auch den Firmen viel abverlangen. „Wir unterstützen alle politischen, wirtschaftlichen und humanitären Maßnahmen, die eine weitere Eskalation verhindern helfen.“
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In Russland hat der Exodus eingesetzt
Am deutlichsten wird die Unterstützung beim Blick nach Russland. Dort hat Anfang der Woche der Exodus eingesetzt. Immer mehr westliche Unternehmen ziehen sich zurück. Für viele mag es ein Abschied für sehr lange Zeit sein.
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Gerade die deutschen Firmenzentralen werfen das Ruder herum, vorneweg die Automobilindustrie: Mercedes, VW und BMW fahren ihre russischen Fertigungsstätten herunter, Porsche oder Audi liefern von sofort an keine Fahrzeuge mehr. Daimler Truck hat seine Kooperation mit Kamaz beendet. Unter den internationalen Marken hat unter anderem der weltgrößte Autohersteller Toyota seine Produktionsstätten in Russland geschlossen. Eine große Zahl weiterer Fahrzeugproduzenten setzt die Exporte aus.
Ikea, H&M und SAP setzen ihre Signale
Viele weitere Branchen wie der Handel schließen sich dem großen Auszug an. So hat die Möbelhauskette Ikea angekündigt, auf weitere Aktivitäten in Russland zu verzichten – ebenso will das Bekleidungsunternehmen H&M alle Geschäfte dort schließen. Der Softwarekonzern SAP stoppt sein Geschäft teilweise. Bestandskunden, die nicht unter die Sanktionen fallen, würden aufgrund der Verträge weiter bedient, hieß es in Walldorf. Der Verkauf sämtlicher Dienstleistungen und Produkte soll jedoch pausieren. Auch Infineon hat die Lieferung von Speicherchips eingestellt.
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Der Elektrotechnikkonzern Siemens Energy beschäftigt rund 900 Mitarbeiter in Russland, fertigt dort Gasturbinenkomponenten und Transformatoren und setzt einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag um. Nun wird sämtliches Neugeschäft gestoppt. Ebenso storniert der frühere Mutterkonzern Siemens – der vielleicht größte deutsche Player auf dem russischen Markt – alle neuen Aktivitäten und internationalen Lieferungen.
Logistikunternehmen stellen Lieferungen ein
Auf dem Energiesektor hat einer der größten ausländischen Investoren, British Petroleum (BP), erklärt, sich von seiner fast 20-prozentigen Beteiligung am staatlichen Ölkonzern Rosneft zu trennen – was Abschreibungen von bis zu 22,5 Milliarden Euro zur Folge haben könnte. Auch der US-Konzern Exxon Mobil will sich aus einem großen Gas-und-Öl-Projekt zurückzuziehen und keine neuen Investitionen tätigen. Die deutsche Wintershall Dea will keine neuen Projekte zur Öl- oder Gasförderung aufnehmen.
Wichtig ist auch der Logistikbereich: So setzen die Bahn-Logistiktochter DB Schenker ihre Sendungen nach Russland vorerst aus – nachdem die Konkurrenten DHL sowie Kühne und Nagel diesen Schritt zuvor vollzogen haben. Auch UPS und Fedex liefern nicht mehr. Auf See geht nur noch wenig.
Liebherr tut sich noch sehr schwer
Wie kompliziert es ist, sich dem Auszug anzuschließen, zeigt ein Unternehmen mit traditionell engen Bindungen zu Russland: Der Kranhersteller Liebherr ist seit 1965 dort aktiv. Die Sanktionen hätten Auswirkungen auf das Geschäft, heißt es aus Biberach. Die Situation gestalte sich aber sehr dynamisch. „Eine abschließende Bewertung kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgenommen werden.“ Liebherr beschäftigt landesweit 2000 Mitarbeiter in zwei Produktionswerken in der Region Nischni Nowgorod und einer Vertriebsgesellschaft in Moskau. Nahe der Grenze zur Ukraine betreibt Liebherr drei Servicestandorte. Russland zählt zu den größten Absatzmärkten der Firmengruppe – Abschiednehmen kann auch schwerfallen.
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Firmenspenden für die Ukraine
Mercedes-Benz
spendet als sofortige Maßnahme eine Million Euro an das Deutsche Rote Kreuz für die humanitäre Hilfe – damit die Menschen in der Ukraine und auf der Flucht mit dem Nötigsten versorgt werden.
Würth
Mit einer Spende in Höhe von einer Million Euro und Sachspenden hilft die Würth-Gruppe mit Sitz in Künzelsau den betroffenen Menschen in der Ukraine. Der Konzern beschäftigt dort 118 Mitarbeiter.
Bosch
Auch Bosch unterstützt die humanitäre Hilfe in der Krisenregion mit einer, wie es heißt, „umfangreichen Spende“ für das Deutsche Rote Kreuz und prüft weitere lokale Hilfsmaßnahmen.