Statt Wachwechsel greifen die Leitwölfe Roger Federer (links) und Rafael Nadal noch einmal an. Foto: AP

Während Rafael Nadal bei den French Open in Paris siegt, startet Roger Federer beim Mercedes-Cup in Stuttgart in Richtung Wimbledon-Titel Nummer acht.

Stuttgart - Geblieben sind die Erinnerungen an ein geschwollenes Knie und reichlich Regen über Stuttgart. Nein, so ganz optimal lief die Premiere des Roger Federer im Vorjahr auf den akkurat getrimmten Rasencourts des Weissenhofs nicht. Weil der 18-fache Grand-Slam-Sieger allerdings ein Ausnahmekönner des weißen Sports ist, hat es für Federer 2016 auf dem Killesberg dennoch bis ins Halbfinale gereicht, wo er letztlich dem späteren Turniersieger Dominic Thiem unterlag.

Diesmal aber lässt sich nicht nur das Wetter besser an als in der Vorsaison, als Federer nach langer Verletzungspause, ausgelöst durch Rücken- und Meniskusbeschwerden, quasi als Rekonvaleszent beim Mercedes-Cup aufgetaucht war. Schon die Anreise aus der Schweiz hatte es für den Maestro, dessen vier Kinder und Frau nicht mitgereist sind, in sich: „Mal wieder auf der Autobahn in Deutschland zu fahren, dass hat Spaß gemacht“, sagt der 35-Jährige, der die French Open ausgelassen hat – und nun in Stuttgart in der geliebten, aber nur fünf Wochen währenden Rasensaison voll durchstarten will.

„Ich muss inzwischen selektieren, welche Turniere ich spiele, um ausreichend zu regenerieren“, sagt der 35-Jährige, der aufgrund des fortgeschrittenen Alters für einen Spitzensportler mittlerweile auch die langjährigen Ausgleichssportarten wie Squash, Fußball und das Skifahren weglässt. „Das muss warten. Ich merke, dass mein Körper nur noch Tennis verträgt.“

Die alten Leitwölfe haben noch einmal zugebissen

Ohne Federer, der mit Siegen bei den Australian Open, in Indian Wells und Miami furios in die Saison gestartet ist, war die Bühne bei den French Open bereitet für einen weiteren Altmeister, den viele ähnlich wie Federer bereits abgeschrieben hatten. Denn als Rafael Nadal vor zwölf Monaten mit einer Handgelenksverletzung in Paris klein beigeben musste, und Federer ebenfalls verletzt war, da sah es tatsächlich nach einem Wachwechsel an der Spitze des Welttennis aus.

Doch die alten Leitwölfe haben noch einmal zugebissen. „Nadal ist jetzt unsterblich“, so feierte die spanische Zeitung „As“ Nadals historischen Finalerfolg, das 6:2, 6:3, 6:1-Lehrstück über Stan Wawrinka im Finale von Roland Garros, mit dem der Mallorquiner „La Decima“, also den zehnten French-Open-Sieg, holte. „Das Gefühl, das ich hier habe, ist mit keinem anderen zu vergleichen“, sagt der 31-jährige Nadal.

Auch Roger Federer sendete umgehend seine Glückwünsche. „Einfach unglaublich, Rafa“, twitterte der Schweizer – und legt auf dem Stuttgarter Pressepodium am Montag nach: „Ich war nicht überrascht von Rafas Form“, sagt Federer, der den Spanier Ende Januar noch in einem epischen Finale über fünf Sätze bei den Australian Open in die Knie zwingen konnte. „Dass er es aber so dominant durchziehen konnte, hat mich dann doch überrascht.“

Kommt es zum Duell mit Tommy Haas?

So marschierte Nadal in Paris in seinen sieben Spielen ohne jeden Satzverlust durch das Turnier, seine French-Open-Karrierebilanz liegt jetzt bei 79:2 Siegen. Mit 6915 Punkten liegt Nadal in der Jahreswertung 2017 auf dem ersten Platz, dahinter folgt – trotz seiner selbst auferlegten, siebenwöchigen Trainingspause – mit 4091 Punkten Roger Federer auf dem zweiten Platz. Weil Novak Djokovic stark und Andy Murray leicht schwächeln, drängt sich verstärkt der Eindruck auf: so gut wie Nadal und Federer, die über die Jahre ein freundschaftliches Konkurrenzverhältnis entwickelt haben, kann es derzeit keiner.

„Rafa hat durch den Paris-Sieg natürlich viel Selbstvertrauen mit Blick auf Wimbledon“, sagt Federer – und muss grinsen: „Aber das kennen wir ja schon. Das ist ja jetzt zum zehnten Mal so.“ Natürlich ist der Schweizer Matador, der mit Pete Sampras die ewige Siegerliste in Wimbledon mit jeweils sieben Siegen in der modernen Profi-Ära anführt, auf Rasen im Vergleich zu Nadal der Favorit. „Der achte Wimbledon-Erfolg ist mein großes Ziel“, sagt Federer, der damit erneut Tennis-Geschichte schreiben würde: „Das hat sich durch Rafas Erfolg von Paris nicht verändert.“

Um gut in den sogenannten Wimbledon-Swing hinein zu kommen, findet Federer in Stuttgart optimale Bedingungen vor. „Ich bin topfit und guten Mutes, dass ich hier gutes Tennis spielen werde“, sagt Federer, der als aktuelle Nummer fünf der Welt die Setzliste auf dem Killesberg anführt. In der ersten Runde hat der 35-Jährige ein Freilos, im Achtelfinale am Mittwoch könnte es dann zum spannenden Duell mit Tommy Haas kommen, sollte der sein Auftaktspiel an diesem Dienstag gegen den Franzosen Pierre-Hugues Herbert gewinnen. „Ich würde mich freuen“, sagt Federer, „denn Tommy ist ein guter Freund.“