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Der Tennisprofi Brown aus Celle stürmt ins Viertelfinale des Mercedes-Cups in Stuttgart.

Stuttgart - Hier ein Autogramm, da noch ein Foto. Dustin Brown kämpft sich durch eine Traube von Menschen. Nach dem Achtelfinalsieg gestern beim Mercedes-Cup gegen den Franzosen Benoit Paire (7:6, 4:6, 6:1) will fast jeder etwas von ihm. Der Mann aus Celle ist für die Tennisfans in Stuttgart einer der Stars – und das hat nichts mit seinem augenblicklichen Erfolg zu tun.

Schließlich war schon vor seinem Match die Hölle los. Am Zaun von Court 3 sah es am Vormittag ein bisschen wie bei einer Occupy-Bewegung aus. Flippige Fans in Flipflops und grellen Shirts schauten einem noch flippigeren Typen beim Training zu, der mit seinen Dreadlocks wie die junge Reggae-Legende Bob Marley aussieht. Im Vergleich zu den fast bieder wirkenden deutschen Topspielern Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer könnte er die langersehnte Abwechslung im deutschen Herrentennis sein.

Lange Grundlinienduelle sind nicht sein Ding

Und Brown bringt alles mit, was ein Liebling der Massen braucht. Er sieht gut aus, setzt Trends, ist eloquent und spielt wie kaum ein anderer auf der ATP-Tour. Der Sohn eines Jamaikaners und einer Deutschen bevorzugt das nicht mehr zeitgemäße Serve-and-Volley-Spiel, spielt wie eine Mischung der ehemaligen Tennis-Ikonen Yannick Noah und Pat Cash. Lange Grundlinienduelle sind nicht sein Ding. „Von hinten mitspielen, das können 400 Leute auf der Welt besser als ich“, sagt Brown und fügt trotzig hinzu, „mein Stil ist ein anderer.“

Allerdings: Seine unorthodoxe Spielweise hat auch einen Grund. Brown war lange Autodidakt, weil er sich keinen Coach leisten konnte. Sein Spiel sieht konzeptionslos aus. „Das ist es aber nicht“, korrigiert Brown, auch wenn er zugibt, sich oft auf seine Intuition zu verlassen. Für seine Gegner ist er so unberechenbar, für sich selbst aber auch. Weil er stets volles Risiko geht, pendeln seine Schläge zwischen Welt- und Kreisklasse-Niveau, zwischen grandiosen Stoppbällen und leichten Fehlern.

Ständig passiert was Unerwartetes

Für die Zuschauer sind die Auftritte jedoch hochinteressant. Ständig passiert was Unerwartetes. „Er hat Schläge drauf, die einmalig sind“, meint Alexander Waske. Damit spricht der Turnierbotschafter des Mercedes-Cups Browns Service an. Bei seinem Auftaktsieg gegen den Russen Nikolai Dawidenko donnerte er einen Aufschlag mit 243 km/h ins Feld. Rekord auf dem Weissenhof. „Bei meinem Aufschlag profitiere ich von meinem schnellen Arm“, erklärt Brown.

Was ihm aber fehlt, sind die Erfolge. Zwar spielt der 1,96 m große Schlaks im Doppel die Saison seines Lebens, doch im Einzel sorgen immer wieder vermeidbare Fehler dafür, dass er nicht die ersten Runden übersteht. „In engen Situationen muss ich ruhiger werden“, sagt Brown. In Stuttgart ist ihm das gelungen. Was fehlt, ist die Kontinuität. Wie viele andere Profis krebst er in der Weltrangliste um Platz 100 herum. Zurzeit liegt Brown auf Rang 150. Das Problem: Viel verdienen lässt sich damit nicht.

Bereits am Anfang seiner Karriere war das so. Da tingelte er mit dem Wohnmobil zu den Turnieren in Europa, weil er kein Geld für die Hotelzimmer hatte. Heute ist das zwar anders, doch noch immer arbeitet er nebenbei als Model. Beim Mercedes-Cup ist der Rasta-Boy der heimliche Star. Ein Star, der sich aber erst daran gewöhnen muss, von immer mehr Fans umlagert zu sein.