Am Sonntag hat es draußen wie drinnen viel zu sehen gegeben im Mercedes-Benz-Museum. Lg/Rettig Foto:  

Das Mercedes-Benz-Museum feiert mit einer Ausstellung 70 Jahre SL. Mit dabei sind am Sonntag viele „VIPs“. Rund 200 Fahrzeuge des R/C 107 SL-Clubs sind vorgefahren. Eine besondere Geschichte hat dabei der „Wagen Nr. 2“.

Stuttgart - Eine schwungvolle S-förmige Fahrbahn bringt Dynamik in den Sonderausstellungsraum des Mercedes-Benz-Museums. Neun SL-Sportwagen glänzen hier am Sonntagvormittag in der herbstlichen Sonne. Vorneweg der Urahn: der im März 1952 vorgestellte, auch SL 300 genannte W 198 – ein Rennsportwagen, der noch im gleichen Jahr in fünf Rennen vier Siege einfahren sollte. Das Exponat befindet sich schon länger im Besitz des Hauses. 2012 wurde es restauriert. Nun fährt das geschichtsträchtige Schmuckstück wieder und ist im Rahmen der Ausstellung „Faszination SL – seit 70 Jahren ein Traumwagen“ erstmals für Museumsbesucher zu sehen. Ganz hinten in der Reihe der chronologisch angeordneten SL-Vertreter ist derzeit noch ein Platz reserviert. In Kürze soll der neue Roadster der Baureihe R232 der Weltöffentlichkeit präsentiert werden. Sobald es so weit ist, wird er seinen Platz in der Schau finden, die noch bis Mai 2022 läuft.

Von 1400 Wagen gingen 1000 direkt in die USA

„Ich glaube, der SL ist wirklich ein Traumauto für jeden, der den Stern im Herzen trägt und etwas Benzin im Blut hat“, sagt Benedikt Weiler, der Kurator der Ausstellung, über die Faszination für die legendäre Fahrzeugklasse. „Jede Generation hat ihren Liebling. Das macht den SL insgesamt zu einem Mythos.“

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Hinzu kommt, dass die Baureihen seit je in vergleichsweise geringer Stückzahl produziert wurden. „Viele Schöne und Reiche waren Liebhaber der Reihe“, so Weiler. Zunächst war der Weg vom Rennfahrzeug zum Wagen für den Privatgebrauch allerdings von Skepsis begleitet. „Es war gar nicht geplant, mit dem Sportwagen 300 SL in Serie zu gehen“ erklärt Weiler. Max Hoffman, ein US-Importeur von Mercedes-Benz-Fahrzeugen, habe sich vom Daimler-Benz-Vorstand ein solches Auto für seine Kunden gewünscht. Von 1400 gebauten Wagen gingen dann 1000 direkt in die USA. Der Ausstellungsmacher ist sichtlich begeistert von der nachfolgenden Erfolgsgeschichte, die zum 70-Jahr-Jubiläum eine museale Ehrung erfährt.

Die Plätze auf dem Museumshügel sind begehrt

Auf eine 50-jährige Geschichte kann die Baureihe 107 verweisen. Rund 200 Exemplare haben sich auf Einladung des R/C 107 SL-Clubs Deutschland auf dem Hügel vor dem Museum eingefunden. Teilweise haben sie die ganze Republik durchquert. „Wir haben mehrere Anläufe gebraucht, um gemeinsam mit dem Museum eine Jubiläumsveranstaltung auf die Beine stellen zu können“, blickt Ralf Cyriax, Vizepräsident des Vereins, zurück. Auch das Automobiltreffen am Sonntag musste mit eher kurzem Vorlauf organisiert werden. Umso erfreuter ist Cyriax über die große Beteiligung. Besonders begehrt waren die raren Plätze im VIP-Bereich auf dem Museumshügel. Hier sind zehn vom Club nominierte besondere Automobile zu sehen. „Fast 90 Prozent der Anmeldungen waren mit Hinweisen versehen, warum der eigene SL etwas ganz Besonderes sei“, verrät der Vereinsvize. „Es waren sehr originelle Begründungen dabei. Im Grunde hat jedes Fahrzeug hier ein bisschen VIP-Status.“

„Wagen Nr. 2“ hat eine besondere Geschichte

Eines der offiziell in den Sonderrang erhobenen Automobile ist der „Wagen Nr. 2“, wie Ralf Cyriax ihn nennt: ein Vorserienfahrzeug des ersten R 107, gebaut bereits ein Jahr ehe dieser 1971 in Serie ging. „Es gab drei solcher Vorabanfertigungen“, sagt Günter Lippick, seit 25 Jahren Besitzer der fahrbaren Rarität. Nummer 1 und Nummer 3 seien nicht mehr auffindbar. Für den Rentner ist sein SL nicht nur deshalb etwas Besonderes, weil er seinerzeit bei der Weltpremiere des Modells am Hockenheimring mit dabei war. Lippick hat ihn im Laufe von zehn Jahren mit Originalteilen liebevoll restauriert, fast könnte man sagen neu gebaut. „Ich hatte damals einen Abschleppdienst und eine Autowerkstatt“, erzählt er. „Den R 107 habe ich nach einem Unfall abgeschleppt. Er war schrottreif, und ich habe ihn dem Vorbesitzer abgekauft. Immer wenn nicht so viel zu tun war, habe ich dann daran gearbeitet, ihn wieder flottzumachen.“ Über den Marktwert seines motorisierten Schatzes ist sich Lippick im Klaren. Doch der ideelle Aspekt überwiegt. „Ich würde dieses Auto niemals verkaufen“, sagt er.

Praktische Tipps für den Automobilfreund

Der Besucher Jürgen hat hingegen gar nicht vor, einen SL zu erwerben. Anschauen ist da schon etwas anderes. Oder ein Foto von der Freundin vor einem der schicken Wagen machen. „Es ist klasse, dass es hier heute zusätzlich zur Ausstellung noch so viele weitere schöne Autos zu sehen gibt“, stellt der 48-Jährige erfreut fest.

Praktische Tipps für den Automobilfreund lassen sich am Rande übrigens auch noch mitnehmen: Unter der Windschutzscheibe eines weinroten 107ers findet sich ein illustrierter Hinweis für SL-Freunde, die lieber ihr Smartphone mit Strom betanken statt rauchen wollen: Binnen zehn Minuten könne man eine 12-V-Steckdose und ein USB-Ladegerät anstelle des Aschenbechers installieren, behauptet der Verfasser. Auch im Kleinen bleibt der SL also anscheinend nahezu jedem Bedürfnis gewachsen.