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Auch die Evangelische Kirche in Deutschland will jede Form der aktiven Sterbehilfe gesetzlich verbieten. Das sei nicht nur ein Gebot des Glaubens, sondern der Menschenwürde, sagt der Vizepräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Hauschildt, im Gespräch mit unserer Zeitung.

Berlin - Die Union treibt die Vorbereitung für ein Verbot der organisierten Hilfe zum Suizid voran. Erste Gespräche über einen Gruppenantrag im Bundestag haben begonnen. Die SPD ist vom Tempo der Initiative von CDU und CSU überrascht und mahnt mehr Zeit an. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland will jede Form der aktiven Sterbehilfe gesetzlich verbieten. Das sei nicht nur ein Gebot des Glaubens, sondern der Menschenwürde, sagt der Vizepräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Hauschildt, im Gespräch mit unserer Zeitung.

Herr Hauschildt, der neue Gesundheitsminister Hermann Gröhe will einen erneuten Anlauf im Bundestag zum Verbot der aktiven Sterbehilfe unternehmen. Wie bewerten Sie diesen Vorstoß?
Wir begrüßen die neue Diskussion. Es gibt Organisationen, die Sterbehilfe kommerziell anbieten, andere bieten sie ohne geschäftliches Interesse ebenfalls an. Die Evangelische Kirche in Deutschland ist der Meinung, dass die Arbeit dieser Organisationen untersagt werden sollte, weil sie der schwierigen Situation sterbender Menschen nicht gerecht wird. Die Arbeit solcher Organisationen verändert die Haltung unserer Gesellschaft zum Suizid in falscher Weise.
Aber diese Dienstleistungen, die Sie untersagen wollen, treffen doch unverkennbar auf eine gewisse Nachfrage. Also antworten sie nur auf ein in der Gesellschaft vorhandenes Bedürfnis. Was haben Sie dagegen?
Dass in Einzelfällen Menschen in extremen großen Notsituationen keinen anderen Rat mehr wissen, als Suizid zu begehen, ist unbestritten. Deren Entscheidung müssen wir respektieren, und da verbietet sich auch jedes ethische Urteil. Die Frage ist, ob wir es rechtlich zulassen wollen, dass hier eine systematische Dienstleistung hin zur Selbsttötung akzeptiert wird. Das wollen wir verboten sehen. Wenn dies eine allgemeine Praxis würde, veränderte das unsere Gesellschaft gravierend.
In welcher Weise?
Wenn eine geschäftsmäßig betriebene Sterbehilfe eine übliche Praxis würde, kämen ältere und kranke Menschen möglicherweise unter erheblichen psychischen Druck. Ihnen wird der Gedankengang nahegelegt, ob es in Ordnung sei, ihren Angehörigen und ihrer Umgebung „zur Last zu fallen“, obwohl es doch eine leicht verfügbare Alternative gäbe. Das ist ein schrecklicher Gedanke. Eine solche Entwicklung wäre fatal. Deshalb braucht es in einer Gesellschaft ein strafrechtlich bewehrtes Tabu. Es darf nie dazu kommen, dass an eine Person eine gesellschaftliche Erwartung herangetragen wird, sich selbst zu töten.
Das klassische Gegenargument heißt: Zur Selbstbestimmung eines freien Individuums gehört auch die freie Wahl der Umstände seines Lebensendes.
Wir setzen als EKD bei der Frage der Selbstbestimmung an: Das Leben ist eine Gabe. Wir haben unser Leben nicht selbst geschaffen. Daraus ergibt sich die Frage, ob die Verfügung über Leben und Tod wirklich so uneingeschränkt selbstbestimmt sein kann. Aus christlicher Verantwortung sagen wir: Da das Leben eine Gabe Gottes ist, findet die Selbstbestimmung hier eine Grenze.
Sie formulieren als Kirche natürlich eine dezidiert christliche Position. Aber ein Gesetzgeber in einer säkularen und pluralen Gesellschaft kann nicht ein Glaubensbekenntnis zur Basis einer allgemeinen Gesetzgebung machen.
Ja, aber der Grundsatz der Menschenwürde, um den es hier letztlich geht, greift über konfessionelle Auffassungen weit hinaus. Wenn wir von der Menschenwürde ausgehen, und das muss ein Gesetzgeber, dann ergibt sich daraus, dass der Schutz des Lebens in den gesetzlichen Normen eines Gemeinwesens einen herausragenden Rang innehaben muss. Das heißt, nicht nur aus christlicher, sondern auch aus weiterer philosophischer Sicht, ist das gesetzliche Verbot der Sterbehilfe vertretbar und geboten.