Inhaftierte demokratische Aktivisten warten in Kairo auf ihren Prozess. Foto: EPA

Die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ prangert in Ägypten massive Menschenrechtsverletzungen durch ein zunehmend verunsichertes Regime an.

Kairo - Die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ wirft in ihrem jüngsten Bericht „Ägypten: Offiziell existierst du nicht: Verschwunden und gefoltert im Namen der Terrorismusbekämpfung“ den Sicherheitskräften vor, täglich drei bis vier Menschen verschwinden zu lassen.

Hauptziele sind Demokraten und Journalisten. Kinder, manche kaum 14 Jahre alt, verschwinden in Ägypten ohne jede Spur im Zuge verschärfter Anstrengungen des Regimes von Diktator al-Sisi. Diese Methode der Repression habe sich seit dem Amtsantritt von Innenminister Magdy Abd al-Ghaffar im März 2015 drastisch verschärft. Seit dem Sturz des ersten frei gewählten Präsidenten, des Moslembruders Mohammed Mursi, im Juli 2013 seien mindestens 34 000 Menschen inhaftiert und brutalen Folterungen ausgesetzt worden, darunter auch Kinder.

Angehörige dürften die Gefangenen nicht besuchen, Rechtsbeistand würde ihnen verwehrt. Amnesty spricht von „schockierenden und skrupellosen Taktiken“, mit denen die Behörden Dissidenten und protestierende Aktivisten zum Schweigen zwingen wollten.

Vorwand für Repressionen

Das Regime verwendet den Kampf gegen „Terrorismus“ gegen radikale Islamisten als Vorwand für willkürliche Repression, die nach Aussagen von Menschenrechtsaktivisten alle Formen der Unterdrückung in der jüngeren Geschichte des Landes – von den brutalen Zeiten Präsident Nassers in den 1950er und 60er Jahren bis zur drei Jahrzehnte langen Herrschaft Mubaraks – in den Schatten stellen. Internationale Menschenrechtsorganisationen sprechen von einer „neuen Qualität der Repression“ . Journalisten seien regelmäßigen Verhaftungen und gewaltsamer Einschüchterung ausgesetzt.

Extreme Spielräume

Hauptziele seien heute keineswegs mehr Anhänger der Moslembruderschaft Mursis, sondern Demokraten, Liberale, säkular (wie das Regime) und gemäßigt eingestellte Bürger, die nach den Worten Elliot Abrams von der unparteiischen „Working Group on Egypt“ die „wichtigste Basis für den künftigen Fortschritt der Gesellschaft“ bildeten. In seinem Kampf um Stabilität nach den durch den Sturz Mubaraks und der einjährigen Herrschaft Mursis ausgelösten Turbulenzen hat Sisi in seinem Bemühen um Stabilisierung des Landes dem Sicherheitsapparat extrem große Spielräume eingeräumt und ihm dadurch ermöglicht, an den seit 2011 demonstrierenden Aktivisten Rache zu nehmen. Zudem hat sich die Justiz voll in den Dienst der um ihre Macht kämpfenden herrschenden Elite gestellt, die auch gewaltlose Kritiker mit Terroristen gleichsetzt.

Die verschärfte Repression ist nach Einschätzung des prominenten Menschenrechtsaktivisten Hossam Bahgat Ausdruck einer wachsenden Nervosität des Regimes, das zunehmend die Unterstützung der Bevölkerung verliert.