Ein gutes Team: Ali Kassem und Monika Schmidlin Foto: Brigitte Hess

Der Schmidener macht seit seinem Unfall vor acht Jahren große Fortschritte. Monika Schmidlin, eine Schulbegleiterin des DRK, unterstützt den mittlerweile 23-Jährigen.

Schmiden - Ali Kassem strahlt die Besucherin aus seinem Rollstuhl heraus an. „Guten Morgen“, sagt er gut verständlich und schüttelt die dargebotene Hand mit Kraft. Der Schmidener war mit 16 Jahren von einem Auto angefahren worden und fiel infolge des Unfalls ins Wachkoma.

Das war im Dezember 2009. Seine Familie hat ihn mit großer Fürsorge und viel Engagement gepflegt. Vor allem sein Vater kämpft sehr für den Sohn. Inzwischen ist Ali ein junger Mann von 23 Jahren. Seit vier Jahren wird er vormittags in der Theodor-Dierlamm-Schule der Diakonie Stetten betreut. Neben vielfältigen Therapien bekommt er auch Unterricht. Doch der Anfang war nicht einfach.

Ihr gelang es, zu Ali vorzudringen und sein Herz zu gewinnen

Ali war, als er sich seiner Lage mehr und mehr bewusst wurde, sehr aggressiv. „Wir konnten ihn nur in einer Einzelfahrt von Schmiden in die Diakonie Stetten bringen und seinen ersten Rollstuhl hat er demoliert“, sagt Monika Schmidlin, die ihn für das Deutsche Rote Kreuz in die Schule begleitet. Ihr gelang es, zu Ali vorzudringen und sein Herz zu gewinnen.

Heute ist der große und kräftige junge Mann ausgeglichen und will vor allem eines: Sich weiter Schritt für Schritt zurück ins Leben kämpfen. Die ersten Kommunikationsversuche verliefen über ein Blinzeln mit den Augen – einmal Blinzeln hieß ja, zweimal nein. Mit Hilfe eines Sprachcomputers kann Ali sich nun überall verständlich machen. „Er beherrscht Deutsch, Englisch und Arabisch in Wort und Schrift“, sagt Monika Schmidlin. Und zwar in perfekter Grammatik: Wenn die temperamentvolle gebürtige Freiburgerin etwas auf Badisch sagt, korrigiert Ali sie.

Ihre zupackende, unkomplizierte Art kommt ihr im Umgang mit Ali sehr entgegen

Sein Kurzzeitgedächtnis funktioniert zwar noch nicht so optimal, aber sein Langzeitgedächtnis schon. „Wir haben seine alte Schule und seinen Kindergarten besucht, das war sehr emotional“, sagt „Mama Schmidlin“, wie Ali sie oft nennt.

Ihre zupackende, unkomplizierte und positive Art kommt der Waiblingerin im Umgang mit Ali sehr entgegen. Auch bei dem jungen Mann muss sofort ein Draht dagewesen sein zu der 66-Jährigen, die neben vier eigenen Kindern in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt etliche Pflegekinder groß zog. Anfangs hat Ali ständig ihre Hand gehalten. „Ich brauchte Nähe, um zu spüren, dass ich nicht alleine bin“, schreibt der junge Mann, der in Deutschland geboren ist und dessen Eltern aus dem Libanon stammen.

Auch seinen Körper musste er neu kennenlernen: „Ali wusste ja gar nicht mehr, dass seine Hände zu ihm gehören und wie man sie gebraucht, das musste er lernen wie ein Baby“, sagt Monika Schmidlin. Sie setzte ihn vor einen Spiegel und erklärte ihm seine Handbewegungen. Inzwischen kann er nicht nur den Sprachcomputer problemlos bedienen, sondern sich auch anziehen und die Zähne putzen.

Sogar ein paar zaghafte Schritte kann Ali inzwischen schon gehen

Jetzt übt er, seinen Rollstuhl selbst zu steuern. Mit Reit- und Physiotherapie wird seine Muskulatur gekräftigt und trainiert. Anfangs konnte er kaum stehen oder sitzen, jetzt versucht er die ersten zaghaften Schritte. Er lernt seine Blasenmuskulatur zu kontrollieren, um den lästigen Katheter loszuwerden und kann wieder feste Nahrung über den Mund statt Passiertes über die Magensonde zu sich nehmen.

Sogar ein paar zaghafte Schritte kann Ali inzwischen schon gehen. „Ich glaube fest daran, dass Ali irgendwann wieder laufen kann“, sagt Monika Schmidlin. Schon was ihm bisher gelungen ist, hätte keiner seiner Ärzte für möglich gehalten.

Ab dem Herbst geht Ali Kassem in eine Förder- und Betreuungseinrichtung in Backnang. Auch hier wird ihn Monika Schmidlin begleiten. „Aber ich will mich etwas zurückziehen, damit er auch Kontakt zu anderen aufnimmt und nicht so sehr auf mich fixiert ist“, sagt sie. Monika Schmidlin glaubt fest dran, dass Ali Kassem es schafft, sein Leben selbst zu meistern. Und auch, dass der große Wunsch des jungen Mannes in Erfüllung geht: zu heiraten und selbst Kinder zu bekommen.