Zecken übertragen FSME Foto: dapd

Der Impfstoff für Meningitis wird knapp, weil der Hersteller Produktionsprobleme hat. Aber plötzlich müssen sich die Kassen wegen des Instruments der Rabattverträge rechtfertigen.

Berlin - Die Mitteilung des Herstellers Novartis über den Ausfall seiner Produktion des Impfstoffs gegen die Frühsommer- Meningitis hat zu heftigen Debatten geführt. In den Fokus gerät dabei die Praxis der Kassen, mit den Herstellern Rabattverträge zu schließen, wie in Baden-Württemberg in diesem Fall geschehen. „Durch den Produktionsausfall werden Teile der Bevölkerung in Baden-Württemberg nicht geimpft werden können“, sagte Norbert Metke,Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung im Südwesten. „Die starke Konzentration auf dem Pharmamarkt in den vergangenen Jahren hat zur Folge, dass massive Engpässe in der Versorgung entstehen, wenn nur eine Produktionsanlage bei einem Hersteller ausfällt. Diese Tendenz wird durch die Rabattverträge der Krankenkassen mit den Herstellern noch verstärkt.“ Metke sieht hier die Bundesregierung gefragt, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Metke: „Rabattverträge haben bei Impfstoffen nichts zu suchen.“

Tatsächlich gibt es in der Koalition die Bereitschaft, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Der Nürtinger Bundestagsabgeordnete und CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich sagte unserer Zeitung, es könne der Eindruck entstehen, „dass von den Kassen zu einseitig auf den Preis geschaut wird und dabei die Versorgungssicherheit in den Hintergrund rückt“. Hennrich verweist darauf, dass die jetzigen Probleme nicht die ersten ihrer Art sind. So war es im Herbst bei demselben Hersteller zu Engpässen bei Impfstoffen gegen Grippe gekommen.

Debatte um Rabattverträge wird aber wohl weitergehen

Einen Zusammenhang mit dem Thema Rabattverträge sieht man auch im Landessozialministerium, wo man das Vorliegen des Schreibens bestätigte. Dort reagiert man aber mit gewisser Skepsis auf die Mitteilung. Die Fachleute des Ministeriums könnten die Behauptung nicht überprüfen. Es sei aber „nicht ausgeschlossen, dass es bei den behaupteten Lieferengpässen eventuell auch darum geht, mögliche Einbußen durch die Rabattverträge mit den Krankenkassen auszugleichen“. Also nur ein Trick des Herstellers? Es sei jetzt an den Kassen, „eigene Schlussfolgerungen zu ziehen“, sagte eine Sprecherin. Dabei könnte auch die Überlegung eine Rolle spielen, ob die Kassen wegen der angeblichen Lieferengpässe jetzt auch auf Impfstoffe anderer Hersteller ausweichen können. Solche Gespräche laufen nach Informationen unserer Zeitung bereits.

Aus Sicht der Kassen in Baden-Württemberg sei eine ausreichende Versorgung mit dem FSME-Impfstoff mit den bestehenden Kapazitäten und Lagerbeständen möglich, erklärte ein Sprecher der AOK Baden-Württemberg für alle Kassen im Südwesten. Die Versorgung mit FSME-Impfstoffen werde dabei „in keiner Weise durch Preisvereinbarungen infrage gestellt“.

Die Debatte um die Rabattverträge wird aber wohl dennoch weitergehen. Es müsse kritisch hinterfragt werden, ob das Instrument der Rabattverträge und der Ausschreibungen in der gegenwärtig praktizierten Form mit den speziellen Besonderheiten von Impfstoffen zusammenpasse, sagte Norbert Gerbsch, Vize-Geschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie, unserer Zeitung. Naturgemäß müssten die Hersteller nach einer Ausschreibung ihre Produktionsmengen den Gegebenheiten anpassen. Das bedeute aber auch, „dass der Verlierer der Ausschreibung bei einem Produktionsproblem des Gewinners häufig nicht kurzfristig mit einer Produktionssteigerung einen möglichen Engpass ausgleichen kann, denn der zeitliche Vorlauf bei Impfstoffen beträgt viele Monate“.

Die Arzneiherstellung macht auch anderswo Probleme: Lieferengpässe bei Krebsmitteln, Antibiotika und anderen Medikamenten gefährden nach Darstellung der deutschen Krankenhäuser zunehmend schwer kranke Patienten. Die Arzneimittelhersteller selbst räumten in einem Brief an Gesundheitspolitiker Lieferschwierigkeiten bei einigen Medikamenten ein, wie die „Frankfurter Rundschau“ am Dienstag berichtete. Unerwartet hohe Nachfrage, Qualitätsprobleme in der Produktion, eingeschränkte Kapazitäten und hoher Kostendruck seien die Ursachen.