Melinda Gates glaubt, dass die Chancen nie besser Standen in der globalen Armutsbekämpfung – wenn alle ihren Teil dazu beitragen Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die amerikanische Stiftungsgründerin Melinda Gates hat die Bundesregierung zum G-7-Gipfel aufgerufen, mehr Geld für Entwicklungshilfe auszugeben. Die Regierungen der Industrieländer müssten zu ihren finanziellen Zusagen stehen.

Stuttgart - Auf der Liste der mächtigsten Frauen der Welt, die das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ alljährlich veröffentlicht, steht sie auf Platz drei, hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Zusammen mit ihrem Mann Bill führt Melinda Gates die mit Abstand größte Privatstiftung der Welt mit einem Stiftungskapital von 42 Milliarden US-Dollar (37 Milliarden Euro).

Eine amerikanische Zeitung nannte die 50-Jährige einmal „die mächtigste Frau, über die man so gut wie nichts weiß“. Doch das ist Jahre her. Inzwischen ist die Ehefrau des Microsoft-Gründers längst aus dem Schatten ihres Mannes herausgetreten, sucht immer wieder bewusst das Rampenlicht, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. So auch auf dem Kirchentag in Stuttgart, wo sie einer der Publikumsmagnete ist. Unverständlich daher, warum man ihren Auftritt in den vergleichsweise kleinen, nur 750 Zuhörer fassenden Mozartsaal der Liederhalle gelegt hat. Hunderte interessierte Besucher warten am Freitagvormittag vergeblich vor den Eingangstüren des überfüllten Saals.

Zusammen mit ihrem Mann pumpt Melinda Gates Millionen an Spenden in Entwicklungsländer, vor allem in die dortigen Gesundheitssysteme. „Unsere Stiftung verfolgt die Mission, jedem Leben die gleichen Rechte zu ermöglichen“, erklärt Gates bei ihrem Besuch auf dem Kirchentag. „Alles Leben hat den gleichen Wert – das ist unser Grundsatz.“ Bei der Podiumsdiskussion in Stuttgart erinnert sie die führenden Industrienationen, die sich am Wochenende zum G-7-Gipfel in Elmau treffen, nachdrücklich daran, ihre Versprechen in Bezug auf die Entwicklungshilfe einzuhalten und endlich mehr zu investieren.

„Wir müssen unsere Regierungen darauf festnageln, dass sie ihre Versprechen, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklung aufzuwenden, auch endlich einhalten“, sagt Gates. Im vergangenen Jahr erhöhte Deutschland diesen Anteil minimal von 0,38 auf 0,41 Prozent. Merkel habe die Macht und den Einfluss, bei den G-7 voranzugehen und deutlich zu machen, was notwendig ist.

„Dieses Jahr ist entscheidend für die Entwicklungspolitik in der Welt“ betont Gates, „und es ist auch das entscheidende Jahr, ob Deutschland weiter eine führende Rolle in der Welt spielt.“ Diese Einschätzung teilen alle Experten auf dem Podium des Kirchentags, das sich mit Deutschlands Rolle im Kampf gegen Armut und Klimawandel beschäftigt. Noch in diesem Jahr wollen die Vereinten Nationen ihren langfristigen Fahrplan sowohl für die Entwicklungshilfe wie auch für den Klimaschutz festlegen. „Das Zeitfenster ist klein“, warnt Dirk Messner, der Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik in Bonn, und fordert die Regierungschefs der G-7-Staaten auf, bei ihrem Treffen deutliche Akzente zu setzen.

Bis 2070 müsse weltweit kohlenstoffneutral und in Kreisläufen gewirtschaftet werden, erläuterte Messner. „Es geht um würdiges Leben für alle Menschen in einem begrenzten Erdsystem“, beschreibt er die Herausforderung auf dem Weg hin zu einer globalen nachhaltigen Entwicklung. Um sie zu erreichen, wollen sich die Vereinten Nationen im Herbst auf eine sogenannte Post-2015-Agenda einigen.

Dazu gehören 17 Ziele und 169 Unterziele. Schwerpunkte sind der Kampf gegen Hunger und Armut, Umwelt- und Klimaschutz, mehr Bildung und bessere Gesundheitssysteme. Während Messner das Dokument als „brauchbar“ bezeichnet, sieht Barbara Unmüßig vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung darin allenfalls „einen Aufbruch, noch lange keinen Durchbruch“.

Gates sieht einen Schlüssel zum Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele in einer stärkeren Einbindung privater Unternehmen beim globalen Kampf gegen Armut und Krankheiten. Innovationen von Firmen müssten für die ganze Welt nutzbar gemacht werden, etwa, um preiswerter impfen zu können, sagt die Katholikin. „Bill und ich, wir glauben an Innovation“, bekennt die dreifache Mutter, „auch an die Innovation, die Welt zu verändern.“

Mit der Entwicklung von Microsoft ist es Bill Gates schon einmal gelungen, die Welt ein Stück weit zu verändern. Gelänge dies Melinda Gates nun auch im Kampf gegen Krankheiten und Armut in Entwicklungsländern, würde sie die Welt nicht nur verändern, sondern auch verbessern.