Melanie C und Roger Hodgson haben mehr gemeinsam, als man annehmen könnte. Foto: Torsten Volkmer

Beide waren Superstars in einer Band: Melanie C (ehemals bei den Spice Girls) und Roger Hodgson (Ex-Supertramp) über Familie, Brexit und darüber wie blöd Handys im Publikum sind.

Hamburg - Das Konzept der Konzertreihe „Night of the Proms“ gibt es seit mehr als 30 Jahren und ist recht ungewöhnlich. Künstler, die sich sonst nie über den Weg laufen würden, weil sie aus unterschiedlichen Genres und Jahrzehnten sind, stehen gemeinsam mit einem 30-köpfigen Orchester auf der Bühne. Erstaunlicherweise funktioniert das vor allem in Deutschland sehr gut. Einige große Hallen sind schon ausverkauft. Für die Schleyer-Halle in Stuttgart am 18. Dezember gibt es noch ein paar Karten.

Dieses Jahr sind neben Peter Cetera (Chicago), John Miles sowie Culcha Candela auch Melanie C (Sporty Spice) und Roger Hodgson (Ex-Supertramp) dabei. Es sitzt einem die geballte Ladung britischer Pophistorie gegenüber. Da kann man sich auch mal über den Brexit, Kinder und Erfolg unterhalten.

Frau Chisholm, Herr Hodgson, Sie waren beide Superstars in einer Band und sind jetzt seit einiger Zeit Solokünstler. Was ist besser?
Melanie: Es ist einfach anders.
Roger: Es geht doch immer ums Lernen. Aus jeder Erfahrung nimmt man etwas mit.
Melanie: Meine Zeit mit den Spice Girls war mein Kindheitstraum. Wir waren sehr jung, hatten keine Verpflichtungen. Ich bin sehr glücklich, dass das zu dieser Zeit in meinem Leben passiert ist. Aber heute würde es nicht mehr funktionieren. In einer Band ist es immer ein Kompromiss. Alle Spice Girls sind jetzt Mütter, das wäre schwer zu organisieren. Wenn man älter wird, wird man auch ein bisschen egoistischer. Und man ist entspannter.
Das heißt, es wird kein Comeback der Spice Girls geben?
Melanie (lacht): Glauben Sie nichts, was Sie in den britischen Boulevardmedien lesen.
Roger: Wenn man ein Star ist, ist nicht alles eitel Sonnenschein. Ich habe mich distanziert und eine Auszeit genommen, um meine Kinder groß zu ziehen. Ich weiß jetzt, wie ich das Ganze mehr genießen kann. Ich bin älter, weiser und auch entspannter.
Helfen Kinder dabei, die Perspektive zu verändern?
Melanie: Ja. Klar, wusste ich, dass Kinder das Leben verändern. Aber mir war nicht klar, wie sehr es mich verändert, Mutter zu sein. Ich bin so dankbar für mein kleines Mädchen. Seit ihrer Geburt lerne ich von ihr. Wenn man so erfolgreich war und in dieser verrückten Blase gelebt hat, dann weiß man auf einmal, was wirklich wichtig ist. Kinder zu haben, kann die Rettung sein.
Roger: Kinder interessieren sich nicht für Spice Girls oder Supertramp. Ihre Unschuld, Freude und Unmittelbarkeit sind wie ein Spiegel.
Würden Sie Ihren Kindern raten, Popstars zu werden?
Melanie: Nein. Natürlich möchte man, dass das Kind glücklich wird. Ich hoffe, dass meine Tochter etwas findet, das außerhalb der Öffentlichkeit stattfindet. Es gibt eine sehr dunkle Seite des Erfolgs. Vor allem heute ist es für junge Leute schwer. Mit den sozialen Medien hat sich alles verändert. Als Eltern will man die Kinder vor allem beschützen, was sie verletzen könnte.
Ist es traurig, dass es heute nicht mehr um Alben geht?
Roger: Nein, nicht traurig, sondern interessant. Früher waren die Plattenfirmen die Mäzene von Künstlern. Jeder Künstler brauchte einen. Künstler müssen heute selbst Marketingexperten sein, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Die Musikindustrie ist am Ende, bei Konzerten halten die Fans ständig Smartphones hoch.
Melanie: Man gewöhnt sich daran. Als ich mal ein paar neue Songs, die noch nicht veröffentlicht waren, gespielt habe, bat ich die Fans, dass sie die Handys in der Tasche lassen sollten. Das war so großartig. Auf einmal habe ich Gesichter und Reaktionen gesehen. Die Handys sind wie eine Barriere zwischen Künstler und Publikum. Und mal ehrlich: Es ist doch Zeitverschwendung. Alles, was man mit dem Handy aufnimmt, löscht man danach doch gleich wieder.
Sie leben in England Melanie, Roger, Sie in Amerika. Wie fühlt sich das mit dem Brexit von außen und von innen an?
Melanie: Ich lebe in London, wo die meisten Menschen in der EU bleiben wollten. Das ganze Land fühlt sich instabil an. Niemand weiß was passieren wird. Es wird viele Bereiche betreffen. Viele Menschen verlassen das Land. Es ist es sehr schwierig. Ich arbeite in Europa und fühle mich schuldig. Mir tut es so leid. Als Engländerin kann ich nur sagen, dass Europa das nicht persönlich nehmen darf. Es geht um England. Die Menschen sind desillusioniert vom Land und von der Regierung – nicht von Europa.
Roger: Wir leben in Zeiten, in denen wir zusammenhalten sollten und uns nicht trennen sollten. Das ist ein Weg in die falsche Richtung.
Gab es einen Moment in Ihrem Leben, der Ihr Leben verändert hat?
Roger: Da gab es viele. Aber vielleicht war es der Tag, an dem ich mir beide Handgelenke gebrochen habe. Mein ganzes Selbstbewusstsein hatte ich durch das Musikersein. Und von einem Tag auf den anderen sagte mir der Arzt, dass ich nie mehr wieder Musik machen könne. Auf einmal war ich ganz allein mit meiner Familie. Aber diese Herausforderung hat mich wohin gebracht, wo ich zuvor nicht war. Mein Selbstbewusstsein hängt nicht von meiner Musik ab. Ich bin innerlich zufriedener. Das ist spannend. Ohne diesen Unfall wäre ich nicht dahin gekommen. Es hat mich so viel gelehrt. Es war ein Segen, dass mir das passiert.
Melanie: Menschen sind sehr hart zu sich selbst. Ich natürlich auch, man möchte immer besser sein. Als ich schwanger wurde, passierte etwas. Auf einmal musste ich auf mich Acht geben, und ich war viel netter zu mir. Ich möchte meiner Tochter nicht vorleben, dass man immer stark und hart zu sich selbst sein muss.
Die Spice Girls haben den Mädchen „Girl Power“ beigebracht.
Melanie: Es gab auch schon davor tolle Künstlerinnen. Dusty Springfield oder Tina Turner zum Beispiel. Aber die Spice Girls machten es vielen jungen Menschen einfacher, das mit dem Feminismus zu verstehen. Ich treffe auch heute, zwanzig Jahre später, immer wieder Frauen, auf die die Spice Girls einen guten Einfluss hatten und ihr Leben verändert haben. Und das ist wohl das beste Vermächtnis, das die Spice Girls hinterlassen haben.
Aber da gibt es doch auch noch ein paar Popsongs.
Melanie: Ja, vielleicht. Aber es ging um Sexismus in der Popbranche. Uns wurde gesagt, dass wir als Girlgroup nicht aufs Cover kommen könnten. Und wir haben es doch geschafft. Die männlich dominierte Musikindustrie musste lernen, dass Mädchen genau so erfolgreich sein können. Das ebnete anderen Frauen den Weg.