Melania Trump war stets eine unkonventionelle First Lady. Foto: dpa/Luca Bruno

Melania Trump veröffentlicht ihre Memoiren. Darin tritt sie für das Recht auf Abtreibung ein. Das politische Washington ist verwirrt: Distanziert sich die frühere First Lady von ihrem Mann – oder ist es eine geschickte Taktik, um Wählerinnen zurückzugewinnen?

Die Sphinx aus dem Weißen Haus – so nannte man Melania Trump, als sie noch Amerikas First Lady war. Dieser Tage wird die 54-Jährige ihrem Ruf, ein unergründbares Mysterium zu sein, wieder gerecht: Einmal mehr gibt sie ihrem Land Rätsel auf. In einem kurzen Video-Clip, schwarz-weiß, untermalt mit dramatischer Musik, sieht man Melania Trump mit entschlossener Miene folgende Worte sprechen: „Es gibt keinen Raum für Kompromisse, wenn es um dieses wesentliche Recht geht, das alle Frauen von Geburt an besitzen: die individuelle Freiheit. Was bedeutet ‚my body, my choice’ („mein Körper, meine Entscheidung“ – das Motto der Abtreibungsbefürworter, Anmerkung der Redaktion) wirklich?“

 

Mit dieser Frage endet das nur 28 Sekunden lange Video, ein Teaser für Melania Trumps Memoiren, die am 8. Oktober in die Buchläden kommen. Sie tragen den schlichten Titel „Melania“. Der britische „Guardian“ berichtete vorab, die frühere First Lady schreibe in ihrem Buch, es müsse „unbedingt gewährleistet werden, dass Frauen ihre Entscheidung für ein Kind aus eigener Überzeugung und frei von jeglicher Einmischung oder Druck seitens der Regierung treffen können“.

Nicht nur das politische Washington rätselt jetzt, was hinter diesen Aussagen steckt. Distanziert sich die 54-Jährige damit wirklich von ihrem Ehemann Donald Trump, der als US-Präsident die Supreme-Court-Richter ernannte, die „Roe v. Wade“ kippten, das Grundsatzurteil, das das Recht auf Abtreibung landesweit jahrzehntelang garantierte? Die Zuständigkeit für das Abtreibungsrecht liegt jetzt bei den 50 Bundesstaaten. In weiten Teilen des Südens und Mittleren Westens der USA gelten seitdem teilweise vollständige Abtreibungsverbote.

Donald Trump mit seiner Frau Melania und dem gemeinsamen Sohn Barron auf dem Rasen des Weißen Hauses. Foto: ZUMA Wire//Christy Bowe

Oder ist Melanias „move“ vielmehr ein geschicktes wahltaktisches Manöver? Die Republikaner wissen nur zu gut, dass das Thema Abtreibung sie bei vielen Wählerinnen nicht gut aussehen lässt. Für Donald Trump ist es ein Minenfeld, durch das er mal hierhin, mal dorthin hastet: Einerseits sagt der Kandidat der Republikaner, er würde ein nationales Abtreibungsverbot mit einem Veto stoppen, sollte er noch einmal am „Resolute Desk“ im Weißen Haus sitzen. Andererseits kann Trump es nicht lassen, sich damit zu brüsten, er habe durch seine Ernennung der drei extrem konservativen Richter Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett das Aus von „Roe v. Wade“ erst möglich gemacht.

Die Trumps sind seit 2005 verheiratet. Foto: dpa/Miguel Rajmil

Kann Melania Donald Trump beeinflussen?

Folgt man dieser Logik, könnte manche Wählerin denken, Melania Trump könnte ihren Ehemann dazu bewegen, beim Thema Abtreibung eine liberalere Haltung einzunehmen. Wie einst bei der umstrittenen Praxis der Trump-Regierung, Migrantenkinder an der Grenze zu Mexiko von ihren Eltern zu trennen. Vielleicht macht die ein oder andere Amerikanerin unter diesen Umständen ihr Kreuz am 5. November dann doch lieber bei Donald Trump. Dass die Kalkulation aufgehen könnte, zeigen die Kommentare unter Trumps Video. Da steht zum Beispiel: „Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich mal ein Video von Melania Trump liken könnte – aber hier bin ich nun...“ Abtreibungsgegner sind indes enttäuscht von der früheren First Lady.

Für die US-Demokraten und ihre Spitzenkandidatin Kamala Harris ist das Abtreibungsrecht eines ihrer stärksten Mobilisierungsthemen. Mit dieser Frage wollen sie vor allem Wählerinnen massenweise an die Urnen holen. Wenn sie in ihren Wahlkampfveranstaltungen über „my body, my choice“ spricht, sind das Harris’ überzeugendste Momente. Sie braucht das Thema, auch weil ihre Haltungen in anderen Bereichen oft etwas wischi waschi und wenig greifbar wirken. Melania Trumps neuester Coup dürfte die Demokraten also zumindest ein bisschen nervös machen.

Es gibt aber auch noch eine dritte Theorie. Melania Trump will vor allem eines: Bücher verkaufen. Das glaubt auch eine langjährige Vertraute der früheren First Lady, ihre ehemalige Sprecherin Stephanie Grisham: „Am Ende geht es ihr darum, mehr Bücher zu verkaufen.“ Deshalb picke sie ein besonders kontroverses Thema heraus, um Werbung für ihre Memoiren zu machen. In den flankierenden Interviews, die die 54-Jährige zum Buchstart dem konservativen Sender Fox News gegeben hat, wirkte es nicht so, als nehme sie politisch eine fundamental andere Haltung ein als ihr Ehemann.

Und in einem weiteren Werbeclip, den Melania am Sonntag veröffentlichte, gab es auch keine brisanten politischen Enthüllungen mehr – dafür viel Menschelndes: Seit sie Donald das erste Mal gesehen habe, habe es einen „unbestreitbaren Funken“ zwischen ihnen gegeben. „Er hat etwas Magnetisches – sein Selbstbewusstsein, sein Charme, sein Humor, seine Visionen.“ Am Ende der Videos verweist ein Link auf Melania Trumps Homepage. Hier kann man ihr Buch bestellen – für 250 US-Dollar mit Bonus-Fotos und Autogramm der Autorin.