Nik Salsflausen tritt bei den deutschen Meisterschaften an Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Wortfechter sind in der Stadt. Bis Samstag wird gedichtet, gereimt, geknittelt und deklamiert. Die Slam Poeten suchen ihren Deutschen Meister. Auch Nik Salsflausen aus Esslingen geht auf die Planche, heute startet er in der Vorrunde.

Stuttgart - In seinem Kopf herrscht ein ziemliches Gedränge. Der Osterhase begegnet da Adolf Hitler, die Zahnfee trinkt mit Dieter Roth Gummibärensaft und Luke Skywalker versucht den BH von Ulrike Meinhof zu öffnen. Kein Wunder, dass Nik Salsflausen ab und an lüften und seine Gedanken rauslassen muss. Er verwandelt sie in Texte und schließlich in Miniaturen, die er auf der Bühne vorträgt.

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Am Anfang war das Wort. Und mittendrin. Und am Ende. Das ist das Glaubensbekenntnis der Slam Poeten. Auch Nik Salsflausen lebt es. Aufgewachsen ist er in Lörrach, die Eltern sind beide Journalisten. Er ist 28, hat in Konstanz studiert, ist Referendar an einem Gymnasium im Landkreis Esslingen, unterrichtet Deutsch und Geschichte. Das muss genügen. Er ist der Meinung, Schüler und Eltern müssen nicht sofort bei Google und Co. finden, „was ich auf der Bühne alles so erzähle“. Unbefangen sollen sie ihm gegenüber sein, nicht von der Bühnenfigur auf den Privatmann und Lehrer schließen. So wie Vincent Furnier das auch macht, der sich auf der Bühne Alice Cooper nennt, mit Boas kuschelt, sich foltern und vermeintlich hinrichten lässt. Ungeschminkt geht Vincent Furnier sonntags in die Kirche und spielt Golf.

Nik Salsflausen ist eine Bühnenfigur

Also Nik Salsflausen. Natürlich spielt ein Poet mit Worten, der Name ist mit Bedacht gewählt. Der Sinn erschließt sich, wenn man ihn ausspricht. Nik Salsflausen wird dann zu nichts als Flausen. Dabei hat er nicht nur Flausen im Kopf. Seine Bandbreite ist beachtlich. Für einen Slam im Kunstmuseum über den Schriftsteller und Künstler Dieter Roth schrieb er einen Text über die Nöte, Fährnisse und Schaffenskrisen der Wortdrechsler: „Das ist doch kein Kunststück, sagst Du dir. . . . die Kunst ist zermürbend und kostet Zeit. Die Kunst will immer mehr von dir, das Gestrige langweilt sie bald.“

Doch obacht, auch hier gilt es die Kunstfigur nicht mit dem Menschen zu verwechseln. Er ist kein zerfurchter Poet, der mit den Sätzen ringt und bedeutungsschwanger daherfabuliert. Er kann auch reimen: „Der Karpfen wurd’ des Mords verdächtigt, verurteilt jedoch nie, er sprach, er sei beim Aal gewesen, man nennt das Aalibi.“ Oder sich in seinem Schmollwinkel im Gehirn zu all den vergessenen Ideen begeben, wo er die Zahnfee, die wahre Liebe und den Osterhasen trifft und beim Mann im Mond einen Gummibärensaft bestellt.

Er schreibt, weil er es liebt. Vieles trägt er nie auf einer Bühne vor, „ich bin froh, wenn mir im Jahr zwei, drei richtig gute Texte gelingen.“ Und was ist gut? „Wenn es originell ist. Wenn es Gedanken sind, die mir wichtig sind.“ Und eine längere Halbwertszeit haben. Also nicht nur sechs Wochen funktionieren wie all die Pokémon-Kalauer, die im Sommer alle gleichzeitig auf den Bühnen aufpoppten. Doch nicht immer ist ein Text, der ihn begeistert, auch einer, der dem Publikum gefällt. „Es nützt nichts, wenn ich finde, das sei superclever, aber es interessiert keinen.“ Da müsse man ehrlich sein und sagen: „Auf der Bühne kommt das nicht an.“

Sein erster Auftritt war 2011

Aufgetreten ist er erstmals 2011. Im Jugendzentrum in Lörrach war er Zivi. Da gab es einen Workshop für angehende Poetry Slammer. Er machte mit und fand sich schließlich vor 500 Zuschauern auf der Bühne wieder, wo er seinen Text vortrug. In Konkurrenz zu Szenegrößen wie Lasse Samström. Nik Salsflausen hatte Magensausen. „Es war aufregend“, erinnert er sich.

Mittlerweile ist er ein alter Hase. Und genießt die Auftritte. „Es ist doch toll, Applaus für seine eigenen Sachen zu bekommen“, sagt er, „das ist ein Maß an Bestätigung, das man so im Beruf nicht hat.“ Als Lehrer erntet man selten Ovationen, auch Schilder mit der Höchstnote 10 sieht man nur beim Slam und nicht im Klassenzimmer.

In der Vorrunde tritt er in der Rosenau an

In der Rosenau ist Nik Salsflausen gern gesehener Stammgast. Deshalb hat ihn Veranstalter Thomas Geyer für die deutschen Meisterschaften nominiert. Am Mittwochabend tritt er um 19 Uhr im Keller Klub in der Vorrunde an. Von den zehn Kontrahenten schaffen es drei ins Halbfinale. Ob er dabei ist? Das ist so eine typische Journalistenfrage, die sich ein Slammer nicht stellt. Einen guten Text will er vortragen und dann sehen, wie das Publikum reagiert. Vorhersehbar ist das nicht. „Wenn alle vor dir witzige Texte bringen, musst Du Dir schon überlegen, ob es sich lohnt, noch einen draufzusetzen.“ Zu viel des Lustigen muss auch nicht sein. Doch wenn das Publikum zu aufgekratzt sei, höre bei einem lyrischen Text keiner richtig zu.

Vielleicht erfährt man ja, warum Geisteswissenschaftler sich in Adolf Hitler und Ulrike Meinhof verwandeln, und was das Aufbauen eines Ikea-Regals mit dem Öffnen eines Büstenhalters gemeinsam haben. Oder doch was ganz anderes? Gut möglich. Schließlich herrscht in Nik Salsflausens Kopf ein ziemliches Gedränge.