Nicht das Original – hier im Bild – eine kritische Ausgabe von „Mein Kampf“ soll an die Schulen in Bayern. Foto: AFP

Bayern will eine kritische Ausgabe von „Mein Kampf“ im Geschichtsunterricht behandeln lassen – ein nicht unumstrittenes Vorhaben. Theoretisch möglich ist es auch in Baden-Württemberg.

Stuttgart - Nach Plänen des Kultusministeriums in München sollen bayerische Schüler Auszüge aus Adolf Hitlers Propagandaschrift „Mein Kampf“ im Unterricht lesen. Schon 2016 hatte der Landtag dem zugestimmt. Aber in welcher Art die Lektüre und Analyse zu geschehen hat, darüber gibt der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) am Donnerstag einen Bericht im Bildungsausschuss des Landtages. Seit einem Jahr liegt eine kommentierte und kritische „Mein Kampf“-Ausgabe des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) vor. Im Zentrum der Debatte steht ein Themenheft, das die Landeszentrale für politische Bildung in der Reihe „Einsichten und Perspektiven“ herausgegeben hat.

Unumstritten ist der Einsatz von „Mein Kampf“ als Quelle im Geschichtsunterricht nicht. Schon im vergangenen Jahr hatte Spaenle in einer Mitteilung Hinweise über den Umgang mit dem Material gegeben: Für ihn steht die „historisch-kritische Quellenarbeit“ anhand einzelner Zitate oder Textpassagen im Vordergrund, wie dies auch bei anderen Unterrichtsinhalten zum Themenkomplex Nationalsozialismus der Fall sei. „Die Wurzeln der Inhalte der Hetzschrift müssen erklärt, die Inhalte kontextualisert und distanzierend aufgearbeitet werden“, meinte Spaenle. Weiterhin müsse das „menschenverachtende Weltbild Hitlers und der NSDAP demaskiert werden“, damit die Hetzschrift nicht „politisch oder ideologisch missbräuchlich eingesetzt oder falsch verstanden werden kann“.

Lehrer haben pädagogische Freiheit, sagt das Ministerium in Stuttgart

In einem Rundschreiben des bayerischen Kultusministeriums an Schulen sowie Lehrerfortbildungen waren bereits Hinweise zum Thema gegeben worden. „Die Schulen und Lehrkräfte müssen in die Lage versetzt werden, mit dem Thema qualifiziert umzugehen“, sagte Spaenle zum Jahrestag des Erscheinens der kommentierten Ausgabe. „Klar ist, dass eine unkommentierte Ausgabe an Bayerns Schulen nicht zum Einsatz kommen kann“, betonte er. Auch an den Schulen in Baden-Württemberg ist es im Prinzip möglich, die kommentierte Fassung von „Mein Kampf“ einzusetzen. „Die Lehrer können im Rahmen ihrer pädagogischen Freiheit wählen, welche Quellen sie heranziehen“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Man mache da keine Vorgaben. So würden ja auch Filmsequenzen aus NS-Wochenschauen oder Mitschnitte von Hitler-Reden im Geschichtsunterricht eingesetzt.

Die Hetzschrift soll „entmythologisiert“ werden

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hatte sich entschieden gegen den Einsatz der Hitler-Schrift an Schulen ausgesprochen. „Ich halte Hitlers antisemitisches Machwerk des Hasses nicht für einen geeigneten Baustein für den Unterricht“, sagte sie einmal in einem Zeitungsinterview. Sie wolle es sich nicht ausmalen, dass der Pausengong ertöne ehe die Auseinandersetzung mit den „menschenverachtenden Inhalten“ abgeschlossen sei. Auch der IfZ-Direktor Andreas Wirsching hatte verhalten auf die bayerischen Pläne reagiert und vor einer „zu starken Hitler-Zentrierung in der öffentlichen Diskussion und vor allem im Geschichtsunterricht“ gewarnt.

Der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) hatte sich für die Lektüre ausgesprochen, um die Hetzschrift zu „entmythologisieren“.