Silvesterfeuerwerk über Stuttgart – Feuerwerk gehörte auch in Damaskus zum Jahreswechsel. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Unseren Flüchtlingsreporter Mahmoud Ali erinnert Stuttgart teilweise an seine Heimat Damaskus. Aber es gibt natürlich auch viele Unterschiede . . .

Stuttgart - Als ich klein war, spielte sich am Abend vor Neujahr immer das Gleiche ab: Meine Geschwister und ich konnten kaum die Augen offen halten vor Müdigkeit, waren aber zu aufgeregt um zu schlafen. Gegen 23.30 Uhr fuhr mein Vater den Wagen vor die Haustür und wir stiegen zu ihm, um gemeinsam das Feuerwerk über Damaskus zu bestaunen. Das konnte man am besten auf dem Quasiun Berg. Damaskus, meine Heimat, ich vermisse dich sehr!

In Stuttgart habe ich eine neue Heimat gefunden. Anfangs war es eine Qual. Immer verglich ich, überall suchte ich Damaskus. Ich hatte Sehnsucht nach so vielem: der Altstadt mit den vielen wunderschönen Gebäuden, den engen Gassen, die ich in und auswendig kenne, den vielen Menschen auf den Straßen zu jeder Tageszeit, den Gewürzmärkten, dem gute Duft von Kaffee und Kardamom.

Die Vogelperspektive gefällt ihm sehr

Diese Sehnsucht ist auch heute noch da, aber ich habe gelernt Stuttgart mit anderen Augen zu sehen. Ich höre auf zu vergleichen und sehe die schönen Dinge, manchmal spüre ich hier sogar eine Verbundenheit ähnlich wie zu Damaskus. Als ich zum Beispiel auf den Birkenkopf gewandert bin und die Stadt bei Sonnenuntergang beobachtete: Das Licht ließ die Häuser viel heller als sonst und wärmer erscheinen. Ich hatte in diesem Moment das Gefühl, auf Damaskus zu blicken. Es gibt hier viele Möglichkeiten, die Stadt aus der Vogelperspektive zu betrachten, das mag ich sehr.

Stuttgart hat den zweiten Weltkrieg erlebt und wurde von Bombardierungen schwer getroffen. Die Altstadt von Damaskus wurde bisher von Bombardierungen verschont, daher atmet man dort viel Geschichte. Hier liebe ich die Straßen, in denen ich Altbauten sehe und gehe gerne abends spazieren auf der Suche nach schönen Gebäuden. Straßenbahnen und Züge gibt es in Damaskus nicht, dort ist man viel mit dem Bus oder zu Fuß unterwegs. In Stuttgart finde ich Straßenbahnfahren toll, weil man so viel von der Stadt sieht und nicht selten einen wunderschönen Blick auf den Kessel geschenkt bekommt.

Dieses Jahr habe ich den Abend vor Neujahr mit Freunden in Stuttgart verbracht. Um Mitternacht standen wir müde aber glücklich zusammen auf dem Balkon und beobachteten das Feuerwerk mit Blick auf die Stadt. Da dachte ich an Damaskus und erinnerte mich an unsere nächtlichen Ausflüge, an das schöne Gefühl mit vertrauten Menschen das neue Jahr zu begrüßen. Es hat sich gut angefühlt.

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