Ein Märchen aus 1001 Nacht: Ali Baba und die vierzig Räuber Foto: Gerrit-R. Ranft

Unser Flüchtlingsreporter schreibt über die Stereotype über den Mittleren Osten. Flüchtlinge würden auch heute noch als Charaktere aus 1001 Nacht wahrgenommen. In seinem Bekanntenkreis führt das durchaus mal zu Irritationen.

Stuttgart - Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele Deutsche Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten als Charaktere aus den Märchen von 1001 Nacht wahrnehmen oder wie die exotischen Orientalen, über die europäische Reisenden im Mittelalter berichtet haben. Es gibt viele Stereotype über den Mittleren Osten. Sie scheinen nicht aus den Köpfen zu verschwinden. Einmal habe ich in einem deutschen Sender einen Bericht über einen syrischen Mann angeschaut, der in Deutschland mit vier Frauen verheiratet ist. Die Journalistin kommentierte die Geschichte tatsächlich mit den Worten: „Es ist eine Geschichte wie 1001 Nacht“.

Es gibt unter Syrern Zweifel am Realitätsgehalt dieser Märchensammlung. Unbestreitbar hat sie aber das Bild vom Orient verfestigt, das für viele unverrückbar ist. Das lesen wir Syrer auch in Kommentaren einiger Deutscher über uns. Manche scheinen zu glauben, wir seien sexuell besessen. Und überhaupt zweifeln viele an, dass wir Flüchtlinge wegen unseren Traditionen und Bräuche in die deutsche Gesellschaft integrierbar seien. Wir scheinen für viele von einem Ort fern von jeder Zivilisation zu kommen. Eine deutsche Frau hat mich einmal gefragt: Habt ihr Autos in Syrien? Ich lachte und sagte: Nein, wir reiten heute noch auf Kamelen.

Vielleicht wächst mit der Zeit das Verständnis

Frauen aus dem Mittleren Osten werden von manchen Deutschen als Sklavinnen ihrer Männer ohne jegliche Rechte bedauert. Sie scheinen alle Scheherazade zu sein, die in 1001 Nacht ihrem Mann Untertan ist, ihm alle Zeit widmet, um ihn zu unterhalten und ihm zu dienen. Eine deutsche Bekannte fragt mich ganz erstaunt, ob ich meiner Frau im Haushalt helfe. Ich hatte ihr erzählt, dass wir gemeinsam für unsere Kinder eine Süßspeise zubereiten. Viele dieser Fragen zeigen, dass es ein Bild im Kopf gibt und bisweilen scheinen manche nur den Kontakt zu uns zu suchen, um bestätigt zu bekommen, was sie über den Mittleren Osten gelesen haben. Vielleicht erwächst mit der Zeit etwas mehr Verständnis zwischen den Kulturen. Aber ich frage mich oft, warum solche Wahrnehmungen heute noch dominieren, obwohl Menschen aus dem Mittleren Osten doch schon lange hier leben.

Zur Person des Kolumnisten