Cannabis ist eine beliebte Droge – unserem Kolumnisten macht das Sorgen. Foto: dpa

Nimmt Cannabiskonsum zu? Unser Flüchtlingsreporter hat den Eindruck. Er berichtet über kiffende Sprachschüler und fragt sich, warum eigentlich so viele deutsche Jugendliche zu der Droge greifen.

Stuttgart - In der Nähe des Hauptbahnhofs in Stuttgart raucht ein junger Mann eine Zigarette mit einem seltsamen Geruch. Er lacht, als wäre er König des Universums. Ich sagte zu einem Freund, mit dem ich unterwegs war: „Schau dir diesen jungen Mann an!“ Er meinte, dass der Mann das vermeintliche Glück im Haschischrausch suche. Ein anderer junger Mann saß auf dem Boden und blickte auf seinen Joint, bevor er an ihm zog. Er erschien mir wie ein Liebhaber, der seine Geliebte küsst.

Für einige scheint Cannabis ein Weg zu sein, Sorgen zu vergessen. Aber warum werden junge Menschen in Deutschland süchtig, wenn sie die größten Chancen auf Erfolg und ein menschenwürdiges Leben haben? In unseren Ländern nehmen Menschen Drogen, um der Armut und Problemen zu entkommen. Aber warum gibt es hier Drogenkonsum? Motiviert das Gefühl von Langeweile oder des übermäßigen Wohlergehens diese jungen Menschen, das Rauschmittel zu nehmen?

Syrien ist eine einzige Cannabisplantage

In Syrien habe ich ein paar Leute gesehen, die Cannabis genommen haben, aber heute in Stuttgart und in vielen deutschen Städten nehmen offenbar noch viel mehr Menschen diese Droge. In der Sprachschule gab es kaum einen Teilnehmer, der kein Cannabis nahm, egal ob Flüchtling oder nicht. Ein Sprachschüler erklärte mir, dass Haschisch ihm helfe, sich in der Prüfung besser zu konzentrieren. Ein anderer meinte sogar, er könne ohne die Droge nicht leben. Einmal bekam ich mit, dass ein Cannabisraucher schwer hustete und über Herzrasen klagte. Ich wolle schon einen Krankenwagen rufen. Das war sehr erschreckend für mich.

In Syrien war einer meiner Freunde Kiffer, obwohl er wenig Geld hatte. Ich war froh, als ich erfuhr, dass er damit aufgehört hatte. Aber ich war schockiert, als er mir berichtete, dass jetzt immer mehr Menschen in Syrien Cannabis nähmen. Nach Angaben eines Strafgerichts in Syrien ist der Anteil der Drogenkonsumenten unter Jugendgruppen sogar um 60 Prozent gestiegen. Heute scheint Syrien eine einzige Cannabisplantage zu sein. Die Syrer scheinen den Schmerz des Kriegs und die Ungerechtigkeit vergessen zu wollen. Gerade die in Trümmern liegende ehemalige IS-Hauptstadt Al-Raqqa ist heute eine Drogenhochburg. Die Menschen scheinen zu glauben, dass Drogen ein Weg sind, um aus einer zerstörten Welt zu fliehen. Doch niemand weiß, wohin sie dieser Weg führt.

Zur Person:

Mohamad Alsheikh Ali ist ein syrischer Journalist, der seit März 2015 als Flüchtling in Stuttgart lebt. Im Wechsel mit Mahmoud Ali, einem weiteren syrischen Journalisten, blickt er für unsere Zeitung auf sein Leben in Stuttgart.