In Spanien und Polen wird zurzeit keine Mehrwertsteuer auf gewisse Grundnahrungsmittel erhoben. Foto: dpa/Jens Büttner

Der Bundesagrarminister Cem Özdemir und der Sozialverband VdK hatten angeregt, die Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel auszusetzen. Bei der Neuen Arbeit in Stuttgart fände man das richtig – sieht aber auch an anderen Stellen Bedarf.

In Spanien und Polen werden die Menschen beim Einkauf finanziell entlastet. Dort haben die Regierungen die Mehrwertsteuer auf gewisse Nahrungsmittel aufgrund der Inflation ausgesetzt oder verringert. In Spanien wurde zum Jahresbeginn die schon recht niedrige Mehrwertsteuer von vier Prozent auf Obst, Gemüse, Brot, Getreide, Milch und Käse gestrichen, vorerst für ein halbes Jahr. Auch für Teigwaren und Speiseöle wurde die Mehrwertsteuer von zehn auf fünf Prozent verringert. In Polen müssen die Menschen bereits seit Februar vergangenen Jahres keine Mehrwertsteuer mehr auf Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Obst und Gemüse bezahlen. Die Regelung soll vorerst bis zur Jahresmitte 2023 beibehalten werden.

Für Photovoltaikanlagen derzeit keine Mehrwertsteuer

Hierzulande könnte ebenfalls eine Entlastung kommen. Sowohl die Vorsitzende des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, als auch der Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) fordern eine zeitlich beschränkte Aussetzung der Mehrwertsteuer für gesunde Lebensmittel. Özdemir meinte kürzlich, dass er „große Sympathien“ dafür habe, die Mehrwertsteuer für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auf null zu setzen. Gesunde Ernährung dürfe nicht am Geldbeutel scheitern.

Verena Bentele hatte kritisiert, dass die Bundesregierung 2023 erstmals die Möglichkeit genutzt habe, die Mehrwertsteuer auf null Prozent zu setzen – jedoch eben nicht für Obst, Gemüse oder Medikamente, sondern für die Anschaffung von Photovoltaikanlagen. „Das können wir nicht nachvollziehen, und es ist unseren Mitgliedern, die sich hilfesuchend an uns wenden, auch nicht zu vermitteln.“

Inflation fresse Bürgergeld komplett auf, heißt es

Auch Stuttgarter mit geringem Einkommen wären für eine Änderung nach spanischem oder polnischem Vorbild dankbar. Man dürfe nicht den Fehler machen und bei Beziehern von Bürgergeld, also Erwerbslosen, an Menschen denken, die nur an Bier und Fleisch interessiert seien, mahnt Martin Tertelmann, der Sprecher des Sozialunternehmens Neue Arbeit. Gesunde Ernährung sei auch für Ärmere ein wichtiges Thema.

„Die Menschen wissen genau, wie hoch gerade welche Preise sind.“ Kürzlich habe eine Frau ihm gesagt, dass sie heute unbedingt noch zu einem bestimmten Discounter müsse, weil dort das Toilettenpapier gerade etwas günstiger sei. „Sie wusste den exakten Preis. Das Bürgergeld ist einfach noch zu wenig, die Inflation und Preissteigerung fressen das komplett auf.“

Müsste man bei den Lebensmittelherstellern ansetzen?

Eine Bürgergeldbezieherin, die bei der Neuen Arbeit in einer Beschäftigungsmaßnahme ist, hat für unsere Zeitung Menschen gefragt, die ebenfalls 502 Euro monatlich vom Staat erhalten. In den Antworten der 14 Befragten befürworteten ausnahmslos alle eine Aussetzung der Mehrwertsteuer für gesunde Lebensmittel. Jedoch wird auch deutlich, dass dies nicht reiche. Mehrere gaben an, dass dies auch bei Getreideprodukten gelten müsste. Und eine Betroffene argumentierte, dass es am besten wäre, die Energiekosten für Lebensmittelhersteller zu senken, „dann wird es für den Konsumenten vielleicht auch billiger“.