Die Tunnelbaustellen am Neckar aus der Vogelperspektive Foto: Manfred Grohe

Die Stuttgarter Gemeinderatsfraktionen akzeptieren zähneknirschend enorme Mehrkosten für Rosensteintunnel. Ein Antrag auf Baustopp wurde abgelehnt.

Stuttgart - Beim Bau des Rosensteintunnels für die Bundesstraße 10 und beim Umbau des Verkehrsknotens am Mineralbad Leuze gehen die Arbeiten weiter. Das haben die Stadträte am Dienstag beschlossen, obwohl extreme Mehrkosten drohen.

Es geht um knapp 44 Millionen Euro mehr, als Ende 2013 in den Haushaltsplan eingestellt wurden. Verglichen mit der Summe beim Baubeschluss im Jahr 2012 handelt es sich sogar um rund 81 Millionen. Statt der damals genannten 193,5 Millionen werden die Bauwerke nun 274,62 Millionen kosten.

Die Risiken „deutlich reduziert“

Wird es wenigstens dabei bleiben? Da inzwischen Aufträge für 207 Millionen Euro vergeben sind, seien die Risiken „deutlich reduziert“, erklärte die Bauverwaltung im Ausschuss für Umwelt und Technik. Von den 207 Millionen habe man die Gesamtkosten „nach den jetzigen Erkenntnissen zu Ende gerechnet“, sagte Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau (SPD). Aber: „In die Glaskugel schauen kann ich so wenig wie Sie.“

Nicht alle Mehrkosten seien absehbar gewesen. Wegen Problemen bei der Suche nach alten Fliegerbomben und wegen unerwarteter Formationen im Gipskeuper habe man auf andere Weise bauen müssen als geplant. Alles Ungeplante auf diesen komplexen Baustellen habe Folgen, sagte Thürnau. Die Verkehrsführung müsse manchmal alle paar Stunden geändert werden.

„Teilweise laxe Erklärungen“

Dass man in einem Nadelöhr unter Verkehr baue, habe man immer gewusst, monierte Gabriele Munk (Grüne) die „teilweise laxen Erklärungen“. Im Wissen um die höheren Kosten, meinten die Grünen, die wie SÖS/Linke gegen den Tunnel gestimmt hatten, wäre die Entscheidung vielleicht anders ausgefallen. Die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus wollte das Rad sogar jetzt noch zurückdrehen: Das Projekt solle gestoppt werden. Wenigstens solle der Rosensteintunnel, wie es der Landesnaturschutzverband anregte, nur eine Röhre bekommen.

Nein, widersprach Thürnau, ein Stopp würde Schadenersatzforderungen und Rückbaukosten auslösen, die die Mehrkosten überschreiten dürften. „Die Entwicklung ist bedauerlich. Für die CDU bleibt die zwingende Notwendigkeit dieser Maßnahme aber erhalten“, sagte Philipp Hill (CDU). Am Ende stimmten nur SÖS/Linke sowie der Stadtist Ralph Schertlen für den Stopp. Zehn Stadträte vom konservativ-bürgerlichen Lager stimmten für die Fortsetzung. Die vier Grünen enthielten sich.

Das Thema nervt im Rathaus. Naheliegenderweise hat sich OB Fritz Kuhn (Grüne) in den internen Disput eingeschaltet, wie die Kostenansagen der Verwaltung verlässlicher werden und ein Vertrauensverlust bei den Bürgern vermieden wird. Thürnau deutete an, wo der Hund begraben liegt: Nur von den frühen Überlegungen im Jahr 2007 bis 2009 seien die Baupreissteigerungen um je ein Prozent pro Jahr hochgerechnet worden, drei wären angemessen gewesen. Wenn man bedenke, was Unvorhergesehenes eintreten könne, müssten zehn bis 15 Prozent drauf kommen.

Am Ende würden aber, wenn bei einem Projekt doch alles gutgehe, Haushaltsreste übrig bleiben. Daher sprach sich Thürnau dafür aus, zunächst eine etwas bessere Vorsorge zu treffen und weitere Risiken beim Beschluss zu beziffern. Gangolf Stocker (SÖS) wies dann einen Weg, den auch andere Fraktionen guthießen: Die Verwaltung müsse immer sagen, was bestenfalls und schlimmstenfalls an Kosten drohe.