Bei vielen Baustellen liegen die Angebote in Ausschreibungen über den Bahn-Kalkulationen. Im Bild eine Baustelle im Hauptbahnhof Frankfurt 2018. Foto: picture alliance/dpa

Bundesweit sind alleine die Kosten von acht größeren Projekten der Deutschen Bahn innerhalb eines Jahres um mehr als 600 Millionen Euro gestiegen. Das belegen vertrauliche Unterlagen, die unserer Zeitung vorliegen.

Berlin - Die hoch verschuldete Deutsche Bahn AG (DB) gerät durch explodierende Baupreise noch mehr in die Finanzklemme. Acht größere Projekte des Staatskonzerns haben sich in einem Jahr um mehr als 600 Millionen Euro verteuert. Das zeigen vertrauliche Unterlagen des DB-Aufsichtsrats, die unserer Redaktion vorliegen. Die DB bestätigt auf Anfrage lediglich, die Preisentwicklung sei „rasant“. Je nach Projekt und Vertrag trägt der Steuerzahler meist die Mehrkosten.

 

Insbesondere bei der neuen S-Bahn-Strecke München laufen die Kosten aus dem Ruder. Das komplizierte Tunnelprojekt ist bisher auf 3,85 Milliarden Euro inklusive Risikopuffer veranschlagt. Doch allein im vergangenen Jahr lagen die Angebote in Ausschreibungen für drei Bauabschnitte zwischen 23 und 34 Prozent über den Kalkulationen. Mehrkosten: 252 Millionen Euro. So kostet der Abschnitt Tunnel West 739 Millionen statt 600 Millionen Euro, der oberirdische Teil West 189 statt 140 Millionen Euro und der Abschnitt Marienhof 395 statt 319 Millionen Euro. Bei dem Projekt hat Bayerns Staatsregierung eine „Durchfinanzierungserklärung“ abgegeben.

Konzern hat Auftragsvergaben gestoppt

Beim Neubau der Bahnhofshalle Duisburg wollte der günstigste Bieter 75 Millionen für den Umbau der Bahnsteige haben – 168 Prozent mehr als kalkuliert. Für das neue Hallendach lag das beste Gebot mit 55 Millionen Euro um 123 Prozent über der Schätzung. Der Konzern hat diese Vergaben deshalb gestoppt.

„Bei zahlreichen großen Vergaben 2018 hat die Kostenschätzung das Budget teilweise erheblich überschritten“, heißt es in den vertraulichen Unterlagen unter anderem zum Großprojekt Stuttgart 21. Grund sei die Hochkonjunktur am Bau. Besonders im konstruktiven Ingenieurbau sind demnach die Preise explodiert, und die Bahn steht in verschärfter Konkurrenz zum Straßen- und Hochbau.

Dabei sei die DB als Auftraggeber „weniger attraktiv“, weil die Projekte besondere Anforderungen stellten. In der Folge sei der Konzern mit stark anziehenden Angebotspreisen konfrontiert, so die interne Analyse. Da neben den Neu- und Ausbauprojekten viele milliardenschwere Sanierungen insbesondere von Brücken anstehen, bringt das den schon mit 25 Milliarden Euro verschuldeten größten Staatskonzern weiter in die Finanzklemme. Bei der heftig umstrittenen Verlegung des Bahnhofs Hamburg-Altona liegen die Kosten ebenfalls weit über den bisherigen Angaben. Für den Bahnsteigumbau hat die DB AG demnach 138 Millionen Euro veranschlagt. Das günstigste Gebot lag bei 239 Millionen Euro und damit 73 Prozent höher. Auch diese Vergabe wurde aufgehoben – zumal der Verkehrsclub Deutschland erfolgreich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamts geklagt hat.

Mehrausgaben sollen teils aus eigener Kraft finanziert werden

Eine Kostensteigerung von 150 Prozent ist bei der S-Bahn Breisgau dokumentiert. Demnach sollte die Elektrifizierung der Verbindung Freiburg-Breisach (Strecke 4310) rund 30 Millionen Euro kosten. Das günstigste Angebot lag mit 76 Millionen Euro aber weit höher.

Bei der Dresdner Bahn in Berlin/Brandenburg, die den Großflughafen BER an der südlichen Grenze der Hauptstadt besser anbinden soll, sind die Mehrkosten ebenfalls drastisch. So wurden für den Abschnitt Blankenfelde-Mahlow 170 Millionen Euro veranschlagt. Der günstigste Bieter verlangte aber 240 Millionen Euro – 41 Prozent mehr.

Auch beim – in den obigen Zahlen nicht enthaltenen – Projekt Stuttgart 21 mit seinen 59 Kilometern Tunnel im Stadtgebiet steigen die Kosten weiter enorm. Wie berichtet musste der DB-Aufsichtsrat deshalb die Risikoreserve von 495 Millionen Euro freigeben, die Teil des Finanzierungsrahmens von 8,2 Milliarden Euro ist. Auch diese Reserve ist nach Informationen unserer Zeitung wegen der Preisexplosionen weitgehend aufgebraucht. Für den Staatskonzern sind die Kostensteigerungen problematisch, da die Mehrausgaben teils aus eigener Kraft finanziert werden sollen. Allein bei S 21 soll die DB AG nach Angaben des Bundesrechnungshofs bereits 5,2 Milliarden Euro selbst finanzieren, fast das Zehnfache des letzten Jahresüberschusses.