Neue Ideen für die Bildung: Kultusminister Andreas Stoch, Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, Ministerpräsident Winfried Kretschmann (v. l.) Foto: dpa

An den Realschulen können Jugendliche künftig auch den Hauptschulabschluss machen. Damit sie die Schüler besser fördern können, sollen die Realschulen zusätzliche Lehrer erhalten.

Stuttgart - Die Klassen an den Realschulen haben sich sehr verändert. Seitdem die Grundschulempfehlung nicht mehr verbindlich ist und Eltern der Viertklässler bei der Wahl der weiterführenden Schule das letzte Wort haben, kommen auch viele Schüler an die Realschule, die aufgrund ihrer bisherigen Leistungen eine Empfehlung für die Hauptschule/Werkrealschule haben. Die Schließung kleiner Haupt- und Werkrealschulen verstärkt diese Entwicklung noch – nicht überall steht als Alternative eine Gemeinschaftsschule zur Verfügung, an der Schüler je nach Leistung und Motivation jeden Abschluss vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur anstreben können.

Auf die immer größeren Leistungsunterschiede in den Realschulklassen hat das Kultusministerium reagiert. Künftig sollen schwächere Schüler dort auch den Hauptschulabschluss machen können. Am Dienstag hat die Landesregierung die geplante Schulgesetzänderung zur Anhörung freigegeben, zum Schuljahr 2016/17 soll sie in Kraft treten. Demnach gelten die Klassen fünf und sechs künftig als Orientierungsstufe.

Am Ende dieser zwei Schuljahre wird entschieden, ob die Schüler auf dem mittleren Niveau unterrichtet werden. Das Grundniveau führt zum Hauptschulabschluss, das mittlere Niveau zur mittleren Reife. Die Schüler lernen überwiegend gemeinsam, können aber in Deutsch, Mathe und Fremdsprachen zeitweise getrennt werden. Ein Wechsel zwischen den beiden Niveaus ist zum Ende jedes Schulhalbjahrs möglich.

Für die Umsetzung erhalten die Realschulen weitere Lehrerstunden. Vom nächsten Schuljahr an bekommen sie statt 2,2 sogenannten Poolstunden sechs Extrastunden pro Zug. Bis 2017/18 werden diese auf zehn erhöht. Dafür würden insgesamt 424 Lehrerstellen benötigt, sagte Kultusminister Andreas Stoch (SPD) am Dienstag. Zudem seien Fortbildungen für die Lehrer an den 429 Realschulen vorgesehen. Für diese Aufgabe stellt das Land 35 zusätzliche Stellen und 500 000 Euro pro Jahr bereit. „So können wir Brüche in den Bildungsbiografien vermeiden und machen einen weiteren Schritt zu einem integrativen Angebot in der zweiten Säule“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Dies sei auch ein Beitrag zur Entkopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg.

Das Konzept zur Weiterentwicklung der Realschulen sei ein wichtiges Signal für die Schüler und die 13 500 Lehrer, sagte Doro Moritz, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. „Je mehr Haupt- und Werkrealschulen schließen müssen, desto mehr schwächere Schüler wechseln an die Realschulen.“ Dafür seien noch mehr Lehrer und veränderte Lernkonzepte nötig.

Auch der Realschullehrerverband fordert Nachbesserungen. Die Schulen bräuchten „Freiraum und entsprechende Budgets zur eigenverantwortlichen Gestaltung der neu hinzugekommenen Aufgabenfelder“, erklärte die Landesvorsitzende Irmtrud Deth- leffs-Niess. Stattdessen gebe es viele Ungereimtheiten und Vorgaben. „Unser erprobter Weg für erfolgreiche Realschulbiografien über die äußere Differenzierung wird politisch gedeckelt, und es besteht keinerlei Bereitschaft, uns hier entgegenzukommen.“

„Das Handwerk ist auf differenzierte Schulabschlüsse angewiesen, dafür braucht es jedoch kein differenziertes Schulsystem“, sagte Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle. An der Realschule müssten individuelle Lernformen gestärkt werden, damit leistungsschwächere wie stärkere Schüler bei grundsätzlich gemeinsamem Unterricht gefördert würden. Dazu gehöre auch das Angebot des Hauptschulabschlusses.

Grün-Rot will auch die Lehrerbildung verbessern. Dafür stelle das Land bis 2020 bis zu 20 Millionen Euro bereit, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) an. Hochschulen, die im Bundeswettbewerb „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ erfolgreich waren, erhalten 25 Prozent des Preisgeldes obendrauf. Davon profitieren die Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Freiburg und Heidelberg, im Herbst können sich weitere bewerben. Mit einem neuen Landesprogramm „Leuchttürme der Lehrerbildung“ will das Land Hochschulen unterstützen, die die Lehrerbildung stärker in den Mittelpunkt rücken.