Tempo 30 soll künftig auf mehr Straßen in Stuttgart gelten. Foto: dpa

Die Hürde für mehr Tempo-30-Bereiche an Hauptstraßen ist gesenkt worden. Das ist grundsätzlich begrüßenswert, meint unser Redakteur Josef Schunder im Kommentar.

Stuttgart - Die Städte und Gemeinden haben neuerdings mehr Spielraum, um Tempo 30 auch auf Hauptstraßen einzuführen – wenn es im Umfeld von Schulen, Heimen und Kitas aus Sicherheitsgründen sinnvoll erscheint. Diese Änderung des Straßenverkehrsrechts ist wirklich ein guter Zug des Bundes. Die Entscheidungskompetenzen dort anzusiedeln, wo man die direkten Auswirkungen besser einschätzen und die Anwendung sinnvoller dosieren kann, ist immer vernünftig. In der Art darf die Bundesregierung ruhig weitermachen. Ganz gewiss ließen sich noch einige Felder bestimmen, auf denen es ebenfalls sinnvoll wäre.

Wie so oft gilt aber auch bei der Frage von mehr Tempo-30-Abschnitten, dass maßvolle Anwendung ratsam ist. Behörden und Autofahrer stecken mitten in dem äußerst anspruchsvollen Versuch, den Schadstoffausstoß der Autos im windarmen Stuttgarter Talkessel auf ein verträglicheres und gesetzeskonformes Maß abzusenken. Da wäre es außerordentlich kontraproduktiv, würde man einen Flickenteppich von kleineren Tempo-30-Bereichen auch noch im Netz der Vorbehaltsstraßen schaffen. Dort läuft die Schadstoffproduktion im Moment auf Hochtouren. Stop-and-go-Verkehr, also ständiges Abbremsen und Beschleunigen der Autos, würde den Ausstoß von krankmachenden Stickoxiden und Feinstaubpartikeln noch ankurbeln. Ein gleichmäßiger Verkehrsfluss auf niedrigem, aber nicht zu niedrigem Niveau sollte herrschen, damit das Schadstoffaufkommen eingegrenzt und die notwendigen Autofahrten trotzdem noch angemessen abgewickelt werden können.

Kontroverse Debatten zu erwarten

Insofern ist der Kurs der Straßenverkehrsbehörde, der sich nach der Änderung der rechtlichen Grundlage abzeichnet, nicht falsch: einzelne neue Tempo-30-Bereiche dort, wo sie sich bei der Prüfung als sinnvoll erweisen, weil sie die Sicherheit von Fußgängern erhöhen können, aber keine flächendeckende Anwendung.

Kontroverse Diskussionen werden freilich auch hier nicht ausbleiben. Aus der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus kommen schon länger Rufe nach flächendeckendem Tempo 30 oder wenigstens Tempo 40 in der Stadt. Das ist überzogen, eine Mehrheit für Bremser dieser Art im Gemeinderat allerdings auch kaum vorstellbar. Selbst die SPD, die vor Jahren bereits mehr Tempo-30-Schilder auf Vorbehaltsstraßen im Umfeld von Schulen und Kitas wünschte, wird möglicherweise wieder nicht alle Wünsche erfüllt bekommen.

Am Ende sollte aber ein maßgeschneidertes Konzept herauskommen, das von möglichst vielen Fraktionen im Gemeinderat mitgetragen wird.