Wenn die Polizei zu einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt gerufen wird, darf sie diesen bald mit der Bodycam filmen. Foto: imago//Thomas Trutschel

Die grün-schwarze Landesregierung hat sich auf Neuerungen beim Polizeigesetz geeinigt, was das bei Kneipenschlägereien bedeutet und wieso Fußballfans jetzt sauer sind.

Stuttgart - Nach einer Extrarunde im Koalitionsstreit hat sich Grün-Schwarz am Dienstagabend auf eine weitere Neuerung im Polizeigesetz geeinigt. Mehr oder weniger ist genau das verschriftlicht worden, worauf man sich bereits Mitte Dezember geeinigt hatte: Polizeibeamte in Baden-Württemberg dürfen kleine Körperkameras – sogenannte Bodycams – nun nicht nur bei Einsätzen unter freiem Himmel scharf stellen, sondern auch in geschlossenen Räumen. Wird eine Streife beispielsweise zu einem Ehestreit im Wohnzimmer gerufen, dürfen die Beamten filmen und die Aufnahmen hinterher verwendet werden, so ein Richter dies freigibt. Damit ist ein Wunsch der Polizeigewerkschaften erfüllt: „Wir begrüßen, dass unsere Beamten die Bodycams bald im täglichen Gebrauch rechtssicher einsetzen können“, sagte Hans-Jürgen Kirstein, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, unserer Zeitung. Für die FDP-Fraktion im Landtag ist bei Einsätzen von Bodycams in geschlossenen Räumen die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben. Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisiert: „Das ist ein potenzieller Eingriff in die Privatsphäre der Menschen.“

CDU-Fraktion will Polizeibefugnisse ausweiten

Aber die CDU-Fraktion sieht sich noch lange nicht am Ziel, wie Innenexperte Thomas Blenke mitteilt: „Wir wollen an den Punkten, die wir nicht durchsetzen konnten, weiter festhalten.“ Besonders die Befugnis, Festplatten mittels Trojaner zu durchsuchen, würde die CDU-Fraktion der Polizei gerne verschaffen. „Auch wenn es im Fall Hanau nicht das richtige Mittel gewesen wäre – Online-Durchsuchungen sind nötig, um die Bevölkerung vor rechtem Terror zu schützen“, sagt Blenke. Er räumt jedoch ein, dass es in dieser Legislaturperiode nicht zu einer weiteren Änderung des Polizeigesetzes kommen wird.

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Der innenpolitische Sprecher der SPD, Sascha Binder, mahnte Versäumnisse an: „Der Innenminister soll die Möglichkeiten der letzten Polizeigesetzänderung erst einmal ausschöpfen, bevor er neue Vorschläge präsentiert.“ Innenminister Thomas Strobl (CDU) war mit Maximalforderungen in die Verhandlungen mit den Grünen gegangen, zeigte sich aber bereit, auf die präventive DNA-Untersuchung zu verzichten. Dabei geht es um Spurenmaterial unbekannter Herkunft, das zur Verhütung von Straftaten auch auf Geschlecht, Haar- oder Hautfarbe untersucht werden darf. Gegen die Schleierfahndung wehrten sich die Grünen und dagegen, dass Verdächtige für eine bestimmte Zeit präventiv in Gewahrsam genommen werden können. Beides wird nicht Teil der Gesetzesnovelle sein, genauso wie die Online-Durchsuchung von PCs und Handys. Der Innenminister gab den Realpolitiker: „Ich hätte mir an manchen Stellen noch andere und weitergehende Veränderungen am Polizeigesetz vorstellen können. Aber Politik ist die Kunst des Möglichen.“

Fußballfans dürfen leichter gefilzt werden

Er lässt damit den Grünen Raum, nicht als Verlierer aus den Verhandlungen zu gehen. Der Grünen-Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand triumphiert: „Wir haben eine überzogene Verschärfung des Polizeigesetzes verhindert.“ Dabei räumt Innenexperte Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) ein: „Mit unserer Idealvorstellung beim Thema Durchsuchung und Personalienfeststellung bei Großveranstaltungen konnten wir uns nicht hundertprozentig durchsetzen.“ Allerdings sollen Besucher auf Weihnachtsmärkten oder bei Fußballspielen nicht willkürlich durchsucht werden. Um Polizeikontrollen anhand Hautfarbe oder Herkunft („racial profiling“) zu verhindern, vereinbarte Grün-Schwarz einen Testzeitraum von einem Jahr, in dem Polizisten dokumentieren müssen, wen sie aus der Besuchermenge rausziehen.

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In diesem Punkt hatten Fußball-Fangruppen darauf gehofft, dass die Grünen nicht nachgeben – und sind jetzt enttäuscht. Sebastian Staneker, Fanprojektbetreuer beim KSC, sagt: „Damit ist kein Maß gehalten zwischen Sicherheit und Freiheit. Wir werden weiter den Finger in die Wunde legen.“ Sechs Wochen lang können sich Verbände und Bürger während der Anhörungsfrist zum Gesetz äußern und Bedenken anmelden. Danach stimmt der Landtag ab.