Die Aktenberge an deutschen Gerichten sollen zügiger abgearbeitet werden. Dazu dient auch der nun zwischen Bund und Ländern vereinbarte „Pakt für den Rechtsstaat“. Foto: dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten haben sich auf Maßnahmen geeinigt, die ein schnelleres Arbeiten der Gerichte ermöglichen sollen. Im Südwesten ist der Stellenaufbau bereits im Gange.

Berlin - In Deutschland sollen bis zum Jahr 2021 insgesamt 2000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen werden. Das ist der Kern des „Pakts für den Rechtsstaat“, dessen letzte Details am Donnerstag zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten ausgehandelt wurden. Der Plan sieht vor, dass auf Bundesebene die Anzahl der Stellen beim Generalbundesanwalt bis Ende 2019 um 71 erhöht wird. Zudem sollen beim Bundesgerichtshof 24 Stellen für einen Zivilsenat in Karlsruhe und einen Strafsenat in Leipzig entstehen. Der Rest der Stellen wird in den Bundesländern geschaffen.

Kontroverse Verhandlung über das Geldverteilen

Wie immer, wenn es ums Geldverteilen zwischen Bund und Ländern geht, war der Pakt Gegenstand intensiver und kontroverser Verhandlungen. Allerdings verlief die Konfliktlinie nicht so eindeutig wie sonst. Tatsächlich waren sich die Bundesländer durchaus nicht einig darüber, wie eine faire Verteilung der Bundesmittel auf die 16 Bundesländer aussehen könnte. Die Länder nämlich, die in der Vergangenheit damit begonnen hatten, für eine steigende Zahl von Richtern und Staatsanwälten zu sorgen, fürchteten, nun leer auszugehen, während sich die „Schlafmützen“ unter den Ländern über den Geldregen freuen könnten.

Diese Befürchtung wurde durchaus auch in Baden-Württemberg geteilt. Im Südwesten ist der Stellenaufbau nämlich bereits im Gange. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit und bei den Staatsanwaltschaften wurden nach Angaben des Landesjustizministeriums schon 2017 insgesamt 74 Neustellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen. 2018 kamen weitere 91 Richterstellen hinzu, von denen zunächst 24 an den Verwaltungsgerichten eingerichtet wurden, um die große Zahl der anhängigen Asylverfahren schneller abarbeiten zu können. Sechs weitere Richterstellen entstanden durch die Einrichtung eines neuen Staatsschutz-Senats am Oberlandesgericht Stuttgart. Zur Bewältigung der hohen Zahl an Asylverfahren wurden im Nachtragshaushalt 2018/19 weitere 80 Neustellen für Verwaltungsrichter und 48 Stellen für Servicekräfte geschaffen.

Erst Nachweis, dann Geld

Gerade aus dem Kreis der Länder, die hier vorangegangen sind, war die Forderung laut geworden, bei der Verteilung der Bundesmittel den Stellenaufwuchs seit 2015 zu berücksichtigen. Das wollte der Bund so nicht mitmachen. Der Kompromiss sieht nun vor, dass rückwirkend wenigstens die Stellen angerechnet werden, die seit Januar 2017 entstanden sind.

Das Bundesgeld soll im Rahmen der Umsatzsteuer-Verteilung an die Bundesländer gehen. Das ist insofern heikel als das Geld damit in den allgemeinen Haushalt fließt. Theoretisch ist also durchaus nicht sicher, dass das Geld aus Berlin tatsächlich in den Ressorts der Justizminister ankommt. Aber da hat der Bund einen Mechanismus ersonnen, der die Fachminister beruhigen soll. Er soll nun so funktionieren: Insgesamt werden die 2000 Stellen auf 400 Millionen Euro pro Jahr veranschlagt. Der Bund will rund 220 Millionen zuschießen. Das Geld soll in zwei Tranchen bei den Ländern ankommen. Das erste Geld soll erst dann fließen, wenn die Bundesländer in einem detaillierten Bericht darstellen können, dass sie zusammen 1000 Stellen geschaffen haben. Ein ziemlich komplizierter Schlüssel, der die Einwohnerstärke und die Steuerkraft der Bundesländer berücksichtigt und bestimmt, welches Bundesland wie viel Geld erhält.

Gute Laune in der Koalition

Der Richterbund hatte mächtig auf eine Einigung gedrängt. Zuletzt sei die Zahl der Fälle gestiegen, „in denen dringend Tatverdächtige wegen einer zu langen Verfahrensdauer aus der Untersuchungshaft entlassen werden mussten“, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Der Pakt könne „einen wertvollen Beitrag“ leisten, das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaats zu stärken“, sagte Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) unserer Zeitung. In der großen Koalition herrschte gute Laune. „Der Föderalismus führt zu guten Ergebnissen“, sagte CDU-Fraktionsvize Thorsten Frei. Und der SPD-Rechtsexperte Johannes Fechner fasste bündig zusammen: „Mit dem Ergebnis kann jeder gut leben.“