Endstation Streik – nichts geht mehr an diesem Montag am Stuttgarter Hauptbahnhof. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Verdi und die Eisenbahngewerkschaft EVG legen am Montag den bundesweiten Verkehr lahm. Und schon läuft die Debatte wieder auf Hochtouren: Sollen die das auch in Zukunft dürfen?

Millionen Berufspendler und Reisende sind am Montag vom großen Warnstreiktag bei der Bahn, im Nahverkehr und an diversen Flughäfen der Gewerkschaften Verdi und EVG beeinträchtigt worden. Ein Verkehrschaos hat dies in den meisten Städten und auf den Autobahnen aber nicht verursacht. Offenbar hatten sich die meisten Verkehrsteilnehmer auf den 24-stündigen Ausstand vorbereitet. Beispielsweise sind viele Arbeitnehmer im Homeoffice geblieben.

Allein in Baden-Württemberg haben sich nach Schätzungen der beiden Gewerkschaften bis zum Nachmittag mehr als 10 000 Beschäftigte an den Arbeitsniederlegungen auf der Straße und Schiene, in der Luft und auf dem Wasser beteiligt – 7000 von Verdi und 3000 von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Bundesweit waren rund 350 000 Beschäftigte zum Ausstand aufgerufen.

Gewerkschaften sehen sich unter Rechtfertigungsdruck

In acht bestreikten Städten des Landes mit kommunalem Nahverkehr – insbesondere Stuttgart und Esslingen – fuhren keine Busse und Bahnen mehr. Am Flughafen Stuttgart musste der Luftverkehr zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen eingestellt werden. Mehrere Schleusen am Neckar blieben dicht; auch die Autobahn GmbH wurde bestreikt. Die Gewerkschaften hatten eine ganze Reihe von Tarifkonflikten gebündelt, um den Megastreiktag zu inszenieren: insbesondere die Runde im öffentlichen Dienst, bei der Deutschen Bahn sowie den Bodenverkehrs- und Sicherheitsdiensten der Flughäfen.

Wegen der Wucht des Streiktags und vielfach sehr kritischer Reaktionen sahen sich die Gewerkschaften offensichtlich unter Rechtfertigungsdruck. In Stuttgart betonte der Landesvorsitzende des DGB, Kai Burmeister: „Natürlich ist dieser Tag heute für viele Menschen eine Belastung – das ist nicht wegzudiskutieren.“ Aber dies zeige ja gerade den Wert der Arbeit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Viele Betroffene würden daher auch die Aktionen unterstützen und die Streikenden ermuntern: „Ihr müsst das machen, sonst kriegt ihr gar nichts – und ihr tut es am Ende auch für uns.“

Warnung vor Eingriffen in das Grundrecht

Warnstreiks seien das „gute Recht der Beschäftigten“, so Burmeister. „Wer höhere Löhne durchsetzen will, braucht Druckmittel. Und „ohne Druck kein Ruck“, denn für Arbeitgeber gebe es nie gute Zeiten für Lohnerhöhungen. Die Gewerkschaften gingen „sehr verantwortlich mit dem Streikrecht um“, versicherte der Landesvorsitzende. Er habe zwar Verständnis dafür, dass Wirtschaftsverbände dagegenhielten. Grenzen sehe er aber bei Rufen nach Einschränkungen des Streikrechts überschritten. „Wer dies will, sägt an den Grundfesten unserer Demokratie“, mahnte Burmeister. „Wir werden dem die rote Karte zeigen und unser Recht verteidigen.“

Dabei bezog er sich zum Beispiel auf Großbritannien, wo die Regierung Streiks im Grundsatz erschwere. In Deutschland würden Forderungen etwa nach Ankündigungsfristen vor allem von der CDU-Mittelstandsunion thematisiert. Im Bundestag wiederum würden viele Aussagen das Streikrecht unterstreichen. „Ich bin nicht akut beunruhigt, dass es im Parlament zu Änderungen kommt“, sagte Burmeister. „Aber wehret den Anfängen!“

Schlichtung im öffentlichen Dienst rückt näher

Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst wurden derweil in Potsdam fortgesetzt. In Teilnehmerkreisen rechnet man mittlerweile nicht mehr damit, dass es – wie zunächst geplant – bis Mittwoch ein Ergebnis geben könnte. Nunmehr wird auch eine Verlängerung bis Donnerstag oder Freitag für möglich gehalten. Sollten beide Seiten hingegen nicht ausreichend Kompromisswillen zeigen, käme es nach dem mutmaßlich von der Gewerkschaft festzustellenden Scheitern der Verhandlungen zur Schlichtung – der ersten seit 2008 und 2010.

Die Gewerkschaften haben den Bremer Verwaltungswissenschaftler und Tarifrechtsexperten Hans-Henning Lühr benannt – die Arbeitgeber den schlichtungserfahrenen Ex-Ministerpräsidenten aus Sachsen, Georg Milbradt (CDU). Die Moderation müsste spätestens am 6. April beginnen – bis zum 13. April müsste eine Empfehlung vorgelegt werden. Während des Verfahrens gilt die Friedenspflicht. Die Schlichtungskommission ist paritätisch mit Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgebern besetzt. Stimmberechtigt wäre diesmal der Schlichter der Arbeitnehmerseite, also Lühr. Spätestens am 18. April müssten die Verhandlungen wieder aufgenommen werden.

Sollte die Vermittlung fehlschlagen, käme es wohl zu einem Dauerstreik, womöglich mit weiteren Megaausständen im Verkehrssektor. „Heute läuft das alles unter dem Motto des Warnstreiks“, stellte DGB-Landeschef Burmeister am Montag fest. „Wir sind aber noch nicht am Ende unserer Möglichkeiten.“ Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach prophezeite: „Sollte die Schlichtung zu keinem Ergebnis führen, dann wird es mal wieder sehr dunkel in Deutschland – dann werden wir in einen flächendeckenden, unbefristeten Arbeitskampf einsteigen müssen.“ In dieser Woche sind während der Verhandlungen im öffentlichen Dienst keine Aktionen im Südwesten mehr geplant.

Keine Bahnstreiks über Ostern

Streikpause
 Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG schließt Arbeitsniederlegungen vor und während der Osterfeiertage aus. Man wolle nicht die Reisenden bestreiken, sondern die Arbeitgeber. Die nächste Verhandlung mit der Deutschen Bahn findet am 24./25. April statt. Die EVG fordert eine Lohnerhöhung von 650 Euro als soziale Komponente, alternativ zwölf Prozent mehr.

Vielfalt
 Allerdings führt die EVG derzeit Tarifverhandlungen mit rund 50 Unternehmen in der Eisenbahn- und Verkehrsbranche – auch dort ist Unruhe möglich.