Schon Hippokrates und Hildegard von Bingen empfahlen Weihrauch bei Entzündungen.

Stuttgart - Gold, Weihrauch und Myrrhe: Was die drei Weisen aus dem Morgenland dem kleinen Jesus im Stall von Bethlehem überreichten, waren keine typischen Kindergeschenke. Für Maria und Joseph dürfte sich die Lage anders dargestellt haben. Das Gold kam ihnen sicher als eine Art Elterngeld gelegen, lebte das Paar doch in bescheidenen Verhältnissen. Aber auch die beiden anderen Gaben galten zu ihrer Zeit als kostbar.

Das Harz der Weihrauchbäume oder -sträucher wurde im alten Ägypten zur Mumifizierung verwendet, vor allem aber galt es, zerstoßen und zu Pulvern oder Salben verarbeitet, in Arabien und Indien als wirksames Mittel gegen Entzündungen und Hautkrankheiten. Hippokrates und Hildegard von Bingen empfahlen Weihrauch als pflanzliches Arzneimittel. Bestand hatte hierzulande aber nur der Einsatz des Pflanzenprodukts als "geweihter Rauch" zu liturgischen Zwecken in katholischen und orthodoxen Kirchen - dem es auch seinen deutschen Namen verdankt.

Ihr Revival verdankt die Dreikönigs-Gabe dem Tübinger Pharmakologen Hermann Ammon, der das Harz der indischen Boswellia serrata zu Beginn der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mit modernen Methoden analysierte und Triterpensäuren als wirksame Substanzen identifizierte. Seiner Forschung zufolge hemmen sie das Enzym 5-Lipoxygenase, das bei der Bildung von Leukotrienen eine entscheidende Rolle spielt, Stoffen, die an der Entstehung von Entzündungen beteiligt sind. Seit neuestem untersucht an der Universität Jena Oliver Werz, Professor für Pharmazeutische Chemie, mittels des sogenannten Target-fishing, welche Enzyme sich an einen solchen "Köder" aus Boswelliasäuren binden. Das ist moderne Grundlagenforschung im Labor, doch Werz arbeitet inzwischen auch mit einer Firma zusammen, die Weihrauchextrakte zum Cremen gegen Haut- und Gelenkbeschwerden anbietet.

Weihrauch gegen Darmerkrankung

In Weihrauchpräparate zum Einnehmen setzten in den vergangenen Jahren immer mehr Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen ihre Hoffnung. "Weihrauch gehört zu den Medikamenten, die viele unserer Patienten mit einer Colitis ulcerosa oder einem Morbus Crohn schon ausprobiert haben", sagt die Magen-Darm-Spezialistin Britta Siegmund, die an der Berliner Charité eine Spezialsprechstunde für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen leitet. Allerdings ist die Datenlage zu diesem Phytotherapeutikum noch mager.

Zuletzt führte im Frühsommer dieses Jahres eine deutsche Multicenter-Studie, an der auch Patienten aus der Charité teilgenommen haben, zu eher ernüchternden Ergebnissen. Veröffentlicht wurde sie im renommierten Fachblatt "Inflammatory Bowel Disease". Die Untersuchung, in der der Boswellia-serrata-Extrakt PS0201 Bo bei Patienten mit einem Morbus Crohn gegen ein Scheinmedikament getestet wurde, war zwar auf ein Jahr angelegt, wurde allerdings vorzeitig beendet, weil sich weder in der Krankheitsaktivität noch im subjektiven Befinden der Studienteilnehmer Unterschiede zwischen beiden Gruppen zeigten.

Quasi nebenbei ergab die Studie aber, dass das pflanzliche Mittel sicher ist, dass also keine schädlichen Nebenwirkungen zu befürchten sind. "Bisher gibt es keine wissenschaftliche Grundlage dafür, Weihrauch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen gezielt einzusetzen", so Siegmund. Sie fügt hinzu: "Es spricht aber nichts dagegen, dass Patienten, die gute Erfahrungen damit gemacht haben, es einnehmen."

Auch andere natürlich Heilmittel werden ausprobiert

Der Internist Henning Gerhardt, langjähriger Leiter der Colitis-Crohn-Ambulanz am Klinikum Mannheim, hat von Boswellia serrata zuerst Mitte der neunziger Jahre durch eine seiner Patientinnen mit Morbus Crohn erfahren. Sie hatte sich Tabletten mit dem Trockenextrakt H 15 besorgt, die eine indische Firma herstellt, und berichtete bei einer Arzt-Patienten-Runde, sie sei lange nicht so frei von Bauchschmerzen und -krämpfen gewesen wie seit dem Zeitpunkt, seit dem sie dreimal täglich das Weihrauchpräparat einnehme. "Die Botschaft habe ich wohl gehört, allein mir fehlte der Glaube", so erinnert sich Gerhardt.

In Zusammenarbeit mit Gastroenterologen der Uniklinik in Wien testete seine Arbeitsgruppe den Extrakt H 15 erstmals in einer Doppelblindstudie, in der 102 Crohn-Patienten entweder Weihrauchextrakt oder den Entzündungshemmer Mesalazin bekamen. Im achtwöchigen Vergleich zeigte sich, dass das pflanzliche Mittel dem Standardpräparat nicht unterlegen war. "Das kann nach dem Stand der Wissenschaft als Wirksamkeitsnachweis gelten, die Ergebnisse stimmen uns zudem optimistisch, was andere Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis betrifft", so Gerhardt heute. Durch die Studie ermutigt, deren Ergebnisse im Jahr 2001 in der Zeitschrift für Gastroenterologie veröffentlicht wurden, setzt der Internist den Weihrauchextrakt, der in Deutschland als Importpräparat verschrieben werden kann, seitdem bei vielen seiner Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ein - zusätzlich zur Standardtherapie, zu der auch Cortison-Präparate gehören. Seiner Erfahrung nach kann die Cortison-Dosis dadurch in vielen Fällen reduziert werden.

Die Forschung zu "natürlichen" Heilmitteln für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen konzentriert sich derzeit auf andere Naturprodukte. So liefern inzwischen mehrere solide Studien Hinweise auf die Wirksamkeit eines Gebräus aus dem Schweinepeitschenwurm (Trichuris suis). Dem Wurm wird zugetraut, das Immunsystem zu einer Gegenreaktion zu bewegen. Sie könnte das selbstzerstörerische Krankheitsgeschehen bremsen, das Autoimmunkrankheiten wie Crohn und Colitis ulzerosa bestimmt. Eine Arbeitsgruppe im Münchner Uniklinikum Großhadern untersucht zudem gerade den Einsatz von Cannabisextrakt in Tablettenform beim Morbus Crohn.

Doch im Unterschied zum Weihrauch wären weder Würmer noch psychoaktive Substanzen als Präsent in der Krippe von Bethlehem sonderlich geeignet.