Viele haben angebrochene Medikamente in der Hausapotheke. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Wegen des Medikamentenmangels verlässt man manchmal mit leeren Händen die Apotheke. Viele helfen sich gegenseitig und geben angebrochene Packungen weiter. Was sagen Apotheker aus dem Kreis Esslingen zum Teilen von Medikamenten?

Medikamente sind nach wie vor rar, der anhaltende Mangel ungebrochen. „Es gibt nach wie vor große Lücken bei wichtigen Medikamenten“, sagt die Apothekerin Telsche Köhler, Geschäftsführerin der Apotheke im ES! und der Stuttgarter Rotebühl-Apotheke. Aber was tun, wenn man akut ein nicht erhältliches Medikament benötigt? Einfach mal bei den Nachbarn klingeln und fragen, ob die zufällig noch Hustensaft übrighaben?

Frei erhältliche Präparate darf man teilen

„Beispielsweise bei Kopfschmerztabletten hätte ich persönlich keine Bedenken“, sagt Köhler. Bei abgelaufenem Aspirin könne man riechen, ob der Zersetzungsprozess bereits eingesetzt habe, da Essigsäure entstehe. Das sei aber auch nicht giftig. Auch Andreas Nitschke, der Geschäftsführer der Center Apotheke Deizisau, hält das Teilen von frei erhältlichen Präparaten oft für die einzige schnelle Lösung – solange man ein paar Grundregeln beachte.

Während der Hochphase des RS-Virus war das Teilen von Medikamenten laut Nitschke ein großes Thema. Es seien nur wenig Fiebersäfte und Zäpfchen erhältlich gewesen. „Es gab oft nur die Möglichkeit, innerhalb der Familie oder bei Nachbarn zu schnorren“, sagt er. „Wir als Apotheker konnten nur beratend zur Seite stehen.“ Die Apotheken seien neben dem Hausarzt der Ansprechpartner für Fragen der Dosierung oder wie lange angebrochene Fiebersäfte haltbar seien. Die Eigenverantwortung spiele dabei eine wichtige Rolle. „Es hat ganz gut funktioniert, dass Eltern und andere Patienten versucht haben, sich gegenseitig zu helfen.“ Durch die steigenden Temperaturen gehe langsam die Flaute der Kindermedikamente zu Ende. Der Grund habe jedoch nichts mit der mangelhaften Nachschubversorgung zu tun: Die Infektionszahlen sinken und es werden schlicht weniger gebraucht. „Es gibt noch nicht überragend viel und keinen Regelbetrieb, aber einige mehr als vor acht Wochen“, sagt Nitschke.

Schwierige Versorgungslage

Aktuell fehlen aber nicht nur frei erhältliche Medikamente, sondern auch verschreibungspflichtige Wirkstoffe. Auf der Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte werden derzeit 434 Präparate aufgeführt, die nicht oder nur mit Verzögerung verfügbar sind. Die Liste zieht sich quer durch die Wirkstoffpalette: Antidepressiva, Schilddrüsenpräparate, Narkose- und Blutdruckmittel sind nur wenige Beispiele. Sowohl Telsche Köhler als auch Andreas Nitschke bestätigen, dass sie durch die derzeitige Mangelverwaltung einen enormen Zusatzaufwand bei der Beschaffung zu stemmen hätten und manche Präparate nur schwer erhältlich seien.

Verschreibungspflichtige Medikamente sind problematisch

Wenn es um rezeptpflichtige Medikamente geht, raten beide Apotheker davon ab, sich welche zu borgen. Hierbei gebe es mehr zu beachten. Andere Hersteller oder Dosierungen müssten beispielsweise immer vorab mit Apotheker oder Arzt besprochen werden. Laut Köhler ist es kritisch, wenn man nicht weiß, wie lange ein Medikament bereits geöffnet ist oder das Mindesthaltbarkeitsdatum fehlt – das gelte im übrigen auch für frei verfügbare Medikamente. „Bei Salat kann man schauen, ob er noch gut aussieht, an Milch kann man riechen. Bei Medikamenten weiß ich ja gar nichts“, so Köhler.

Die Garantie der Hersteller decke nur das Mindesthaltbarkeitsdatum ab. Was danach passiere, dazu gebe es quasi keine Erkenntnisse. „Bei den Abbauprodukten von beispielsweise Herzmedikamenten weiß man ja nicht, was entsteht. Es könnten sich schädliche Moleküle bilden“, so Köhler. Die korrekte Lagerung spiele bei der Haltbarkeit eine wichtige Rolle. Viele Menschen bewahrten ihre Medikamente im Badezimmer auf, wo es oft feucht und warm ist. „Wenn auf der Packungsbeilage Zimmertemperatur angegeben ist, dann bedeutet das bis 25 Grad“, erklärt sie. Privat bewahre sie ihre Medikamente deswegen im Schlafzimmer auf. „Das ist bei mir der kühlste Raum und dort ist es trocken.“ Wie geschnorrte Medikamente aufbewahrt wurden, wisse man meist nicht.