Lügen, Lügen nicht als Lügen: Doch wie kann man sie erkennen? Foto: dpa

Wie man anhand verbaler und nonverbaler Hinweise einen Lügner entlarven kann

Stuttgart - Der Medienpsychologe Frank Schwab hat das „Facial Action Coding System“ (kurz FACS) des US-Psychologen Paul Ekman bei einem seiner Schüler erlernt. 100 Stunden dauert es, bis man die unzähligen Facetten menschlicher Mimik, die Ekman beschrieben hat, offiziell studiert hat. Danach ist man quasi ein Profi in Sachen Lügenerkennung. Im Interview erklärt Schwab, wie man anhand verbaler und nonverbaler Hinweise Lügner und Täuscher entlarven kann. Doch jedes System hat seine Schwächen. Vor allem sei es schwer, Psychopathen auf die Schliche zu kommen, erklärt der Professor an der Universität Würzburg, weil ihre Mimik, Gestik und Sprache oft so gar nicht mit den üblichen Mustern übereinstimmt.

Herr Professor Schwab, wozu benutzt ein Medienpsychologe ein System, mit dem man die menschliche Mimik erforschen kann?
Wir verwenden das System von Paul Ekman, um Zuschauer zu beobachten. Wir zeigen ihnen Nachrichten oder Ausschnitte aus Fernsehsendungen und schauen, wie sie mimisch darauf reagieren. Bei uns heißt das nicht Lügen, sondern sozial erwünschte Antworten. Aber es ist eigentlich das Gleiche.
Stimme, Gestik, Mimik oder Körperhaltung können verraten, ob jemand die Wahrheit sagt oder lügt. Welche Hinweise bevorzugen Sie?
Die Polizei legt sehr viel Wert auf Verhörtechniken und arbeitet mit Gedächtnisinhalten. Dies wird auch viel im Klinischen Bereich bei psychischen Störungen verwendet, wenn man nicht genau weiß, ob der Patient die Wahrheit sagt. Damit kann man sehr viel anfangen. Wenn sie jemanden etwa Tathergänge oder Gedächtnisinhalte erzählen lassen, ist es schwer zu täuschen. Narrative Strukturen zu erfinden und kohärent zu halten ist äußerst knifflig. Diese verbalen Untersuchungsmethoden kann man sehr gut kombinieren mit mimischen Hinweisen.
Das hört sich nach Zeugenbefragungen im Gerichtssaal an.
Man hat tatsächlich eine Situation wie bei einem Indizienprozess. Man trägt Indizien zusammen, weil man bei der Tat nicht dabei war. Den Lügner in flagranti zu erwischen, ist äußerst selten. Man hat eher verschiedene Hinweise, die man gewichten muss.
Die Gefühle, die jemand mit seiner Mimik ausdrückt, muss man übersetzen. Wie gehen Sie dabei vor?
Wenn sie jemand anlügen will, dann kann der sich freuen, weil er sie über den Tisch gezogen hat. Oder er kann sich dafür schämen und erröten. Neben emotionalen Ausdrücken haben sie auch das Bemühen bestimmte Sachen zu verbergen. Ein Beispiel: Wenn sie bei einem unanständigen Witz lachen, versuchen sie den Mundwinkel ruhig zu halten. Dann sieht man vielleicht gar nicht, wie ihre Mundwinkel hochgehen. Was man aber sieht, ist das Bemühen, den Mund anzuspannen, damit der Mundwinkel nicht hochgeht.
Wie sicher sind denn solche Befunde?
Das sind alles nur Hinweise, bei denen man nachhaken und nochmals tiefer graben muss. Die Mimik ist wie eine Art Leuchtsignal. Sie müssen das Ganze immer im Kontext sehen und multimodal vorgehen, indem sie Mimik, Körpersprache, Stimme und die Logik der Erzählung miteinbeziehen. Was ist das für eine Person? Wird sie sich eher freuen, wenn sie jemanden reinlegt oder wird sie sich dafür schämen? Um welche Tat geht es? Es ist wie bei den „CSI“-Serien im Fernsehen: Die Ermittler haben viele Laborbefunde, die sie bewerten. Am Schluss haben sie eine Wahrscheinlichkeit, dass etwas nicht stimmt oder alles zusammenpasst.
Wie groß ist dabei die Wahrscheinlichkeit einen Lügner zu überführen?
Es gibt Fälle, bei der sich auch Mimikforscher schwer tun. Wenn sie etwa einen Psychopathen vor sich haben, knirscht es im emotionalen Gebälk mitunter überhaupt nicht. Dann hat man eine ganz schwere Startposition. Ein anderes Problem ist, wenn man annimmt, dass einer lügt, aber er tut es gar nicht. Auch Paul Ekman, der seit langem die Mimik erforscht, wird es bei bestimmten Spezialfällen schwer haben.

Zur Person: Frank Schwab

Er ist Professor für Medienpsychologie am Institut für Mensch-Computer-Medien der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Seine Forschungsschwerpunkte sind evolutionspsychologische Aspekte in Medien und Organisationen, Emotion und Entertainment, systemische Ansätze der Organisationspsychologie sowie Kino und Film.