Kinder haben immer früher Computer Foto: olly/Fotolia

Schüler sollen besser auf die digitale Welt vorbereitet werden, fordert die Wirtschaft. Das Lernen mit und über Computer müsse fest verankert werden.

Stuttgart - Trotz des etwas holprigen Starts ist Edwin Bartels vom Tablet-Projekt überzeugt. „Schüler müssen selbstverständlich mit den modernen Medien umgehen können“, sagt der Schulleiter des Stuttgarter Schickhardt-Gymnasiums. Seit einem Jahr erprobt eine Klasse an seiner Schule den Einsatz der mobilen Computer im Unterricht. Er hat beobachtet, dass schwierige Themen beispielsweise durch den Einsatz von Grafiken oder Videos leichter vermittelt werden können und dass manche Schüler beim Arbeiten mit den neuen Geräten Lust auf mehr bekommen. „Neulich brachten Schüler ein gutes Video über Bakterien mit, das ich nicht kannte“, erzählt Bartels, der in der Tablet-Klasse Biologie unterrichtet. In allen Fächern außer Sport nutzen die Schüler das Tablet – zum Schreiben, Lesen, zur Suche nach Informationen oder auch zur Präsentation.

Als vor einigen Jahren die Schule saniert werden musste, kamen in jedes Klassenzimmer gleich Internetanschlüsse und ein Whiteboard, eine mit Computern vernetzbare Tafel, zudem wurde eine drahtlose Internetverbindung eingerichtet. Das ermöglicht, die Tablets prinzipiell in jedem Raum einzusetzen – allerdings ist das Netz ab und zu überlastet und stürzt ab, sagt Bartels. Solche und andere technische Probleme sind aus seiner Sicht die größte Schwachstelle des Projekts. Hier bräuchten die Schulen mehr Unterstützung.

Noch ist für ihn und seine Kollegen Hilfe nahe, wenn es entsprechende Schwierigkeiten gibt. Denn das Stuttgarter Medienzentrum und das Landesmedienzentrum unterstützen das Modell nicht nur finanziell – unter anderem haben sie die Tablets zur Verfügung gestellt –, sondern auch personell. So gibt Johannes Gienger, Leiter des Stuttgarter Medienzentrums, zwei Stunden Geschichtsunterricht in der Tablet-Klasse. Wie verhindern Lehrer, dass Schüler Texte aus dem Internet kopieren und als eigene Leistung abliefern? Durch intelligente Aufgaben, sagt er. Wenn er beim Thema Industrialisierung Erfinder aus der Region vorstellen lässt, müssen die Schüler das in der Ich-Form tun. Das setze zumindest voraus, dass sie Satz für Satz durchgehen, wie beim Lesen eines Artikels oder Buchs. Außerdem gebe es einige Kontrollmöglichkeiten.

Diese Art des Lernens ist ganz im Sinn der Wirtschaft. Schüler müssten besser auf die digitale Welt vorbereitet werden, fordern etwa Vertreter aus der Industrie. Moderne Technologien müssten auch in den Schulen selbstverständlich werden. In Finnland müssen Schüler künftig die Schreibschrift nicht mehr lernen. Weil sie zu aufwendig sei und besonders Jungen damit Schwierigkeiten hätten, sollten Schüler die Zeit besser dafür verwenden, das Tippen auf Computer- Tablets zu lernen. Und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ließ wissen, dass er Programmiersprachen für wichtiger hält als Latein oder Griechisch.

Bartels möchte weder auf die Schreibschrift noch auf klassische Sprachen verzichten. Das schließe ja nicht aus, dass Schüler das Tippen und Programmieren und vieles mehr lernen. Er bedauert, dass es dafür an den Schulen kein eigenes Fach mehr gibt.

Seit der Einführung des Bildungsplans 2004 ist die Informationstechnische Grundbildung in den allgemeinbildenden Schulen kein eigenständiges Fach mehr. Durch den Einsatz von Computern in verschiedenen Fächern sollten die Schüler mit der Handhabung, aber auch ihren Chancen und Risiken vertraut werden. Nur in der gymnasialen Oberstufe können Schüler Informatik als Fach wählen. Die Meinungen darüber, ob das sinnvoll war, gehen auseinander. Oft bleibe es dem Zufall überlassen, wie intensiv die Neuen Medien genutzt werden und was Schüler darüber lernen, sagen Kritiker.

Auch der neue Bildungsplan, der 2016/17 in Kraft tritt, sieht kein eigenes Unterrichtsfach vor. Medienbildung ist künftig eines von fünf Leitprinzipien – neben beruflicher Orientierung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Prävention und Gesundheitsförderung sowie Verbraucherbildung. „Junge Menschen sollen mit Medien kompetent und kritisch umgehen können, und sie sollen sie selbst gestalten können“, sagt Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Da Medien in der Alltagswelt Jugendlicher überall präsent seien, sollten sie auch in der Schule an vielen Stellen stetig thematisiert werden. „Deshalb haben wir uns für eine als Querschnittsaufgabe angelegte Medienbildung entschieden“, so Stoch. Anders als bisher sind die Grundschulen ausdrücklich eingeschlossen. Zudem soll es für alle Fünftklässler künftig einen Basiskurs Medienbildung geben, der 35 Stunden umfasst – das entspricht in etwa einer Schulstunde pro Woche.

Die Medienbildung ist aber nicht nur ein Thema für Schüler. Auch die Lehrer müssten in diesem Bereich besser aus- und fortgebildet werden, fordert Gienger, das Thema Medienerziehung müsse für alle verpflichtend werden. Beim Studium und beim Referendariat hänge es oft noch von den Dozenten ab, welche Rolle Neue Medien spielen.

Aber auch bei der Ausstattung und technischen Unterstützung der Schulen herrscht Investitionsbedarf. Vielerorts fehlt ein schneller Internetzugang. Nach einer Umfrage im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung nutzen derzeit acht von zehn Lehrern das Internet im Unterricht.