Den Gerichtssaal verlassen Beteiligte meistens als Gewinner oder Verlierer. Inken Tscherwitschke vermittelt als Mediatorin außergerichtlich zwischen den Parteien. Foto: Eileen Breuer

Wer mit dem Nachbar streitet, muss nicht gleich vor Gericht ziehen. Inken Tscherwitschke aus Leinfelden-Echterdingen vermittelt als Mediatorin und spricht im Interview darüber, wie die Beteiligten den Konflikt ohne Kompromisse eingehen zu müssen, lösen können.

Echterdingen - Wer sich mit dem Nachbar in die Haare bekommt oder innerhalb der Familie um das Erbe streitet, hat noch andere Möglichkeiten, als einen Rechtsstreit vom Zaun zu brechen. Der Tag der Mediation am 18. Juni macht darauf aufmerksam. Inken Tscherwitschke vertrat vor Gericht als Anwältin Mandanten. Nun arbeitet sie als Mediatorin. Im Gespräch erklärt sie, welche Vorteile eine Mediation mit sich bringt.

Wir waren nun über einen längeren Zeitraum in unseren Häusern isoliert, mussten soziale Kontakte minimieren und sind mit der Familie räumlich zusammengerückt. Welche Spannungen haben sich dadurch ergeben?

Ich denke, dass die Häufigkeit von Konflikten zugenommen hat. Dadurch, dass man mit der Familie näher zusammengerückt ist, mit den Nachbarn in häufigerem Kontakt steht und man sich nicht mehr so leicht aus dem Weg gehen kann, sind Konflikte ausgebrochen, die schon vorher geschwelt haben.

Was wäre denn ein Beispiel für einen solchen Konflikt, bei dem eine Mediation helfen könnte?

Die Mediation kann bei allem helfen, was ein Level des Erträglichen überschreitet und das man selbst nicht lösen kann. Ein Beispiel ist das Verhältnis zu den Nachbarn. Jetzt, da das Wetter so schön gewesen ist und man viel zu Hause war, wurde viel draußen gegrillt, was natürlich mit einem erhöhten Lärmpegel verbunden ist.

Hilft Mediation auch noch, wenn es zu Handgreiflichkeiten kam?

Bei der Mediation habe ich zwei Parteien, die gemeinsam an einem Konflikt arbeiten wollen. Das Ziel der Mediation ist es, eine einvernehmliche Regelung zu finden. Aber bei häuslicher Gewalt geht es ja um Macht und Ohnmacht. Das ist keine Basis, auf der ich gleichberechtigte Gespräche führen kann, um eine Regelung zu treffen, sodass die Gewalt nicht mehr ausgeübt wird.

Sie haben früher als Anwältin gearbeitet. Welchen Vorteil hat eine Mediation gegenüber einem Gerichtsverfahren?

Erbengemeinschaften wollen ja auch nach der Aufteilung des Erbes noch gemeinsam Familienfeste feiern, Eltern wollen auch nach der Trennung für ihre Kinder da sein. Das könnten sie dank einer einvernehmlichen Regelung besser, als wenn das vor Gericht erfolgt und im schlimmsten Fall einer als Gewinner und einer als Verlierer hinausgeht.

Ich muss also kompromissbereit sein?

Bei einem Kompromiss gibt jeder nach, und beide Parteien sind nur bedingt zufrieden. In der Mediation soll eine Lösung gefunden werden, mit der beide am Ende einverstanden sind.

Stellen wir uns vor: Der Nachbar grillt jeden Tag und raucht mir die Bude voll. An seinem Verhalten ändern will er nichts. Wie hilft hier eine Mediation?

Der grillende Nachbar muss erst mal bereit dazu sein, zur Mediation zu gehen. Er muss auch ein Interesse daran haben, dass dieses Verhältnis bereinigt wird. Wenn er sagt, ihm ist das egal, wäre das keine Voraussetzung für die Mediation.

Können Sie etwas tun, wenn sich eine Partei gegen eine Lösung sträubt?

Dazu würde es nicht kommen. Meine Aufgabe ist es, die Parteien bei der Erarbeitung einer Lösung zu begleiten. Wenn eine Idee auftaucht, mit der einer der Beteiligten nicht einverstanden ist, wird sie verworfen und so lange weitergearbeitet, bis eine einvernehmliche Regelung gefunden wurde. Wenn jemand keine Lösung finden möchte, wird es in der Mediation keine Lösung geben.

Welche Gründe gibt es, sich an eine getroffene Vereinbarung zu halten?

Es müssen beide wollen, dass das nachbarschaftliche Verhältnis funktioniert. Wenn es beiden egal ist, ist Mediation das falsche Verfahren. Im Familienrecht ist es gewinnbringend, weil es oft auf Kosten der Kinder geht, wenn sich die Eltern uneins sind. Wenn die Eltern gemeinsam an einem Strang ziehen und eine Vereinbarung treffen, dann ist es für die Kinder gewinnbringend, weil sie Eltern haben, die sich nicht bekämpfen.

Für Mediation muss man ganz schön tief in die Tasche greifen. Ist das nicht für viele Familien zu teuer?

Wenn man ein Bad nicht selbst reparieren kann, muss man auch einen Handwerker rufen, der einem das macht. Und wenn man es allein nicht schafft, den Konflikt zu regeln, und die Hilfe eines Dritten benötigt, denke ich, dass es falsch ist, daran sparen zu wollen.