Gerhard Mayer-Vorfelder Foto: dpa

VfB-Ehrenpräsident Mayer-Vorfelder wünscht sich zwei Präsidentschafts-Kandidaten.  

Stuttgart - Er gehörte noch nie zu denen, die süchtig sind nach Harmonie. Im Interview spricht der Altmeister aus Politik und Sport Klartext. Freundliche Grüße an die amtierenden VfB-Funktionäre.

Herr Mayer-Vorfelder, dass Sie das noch erleben dürfen. . .

(Runzelt die Stirn) Hmm, was denn?

Eine grün-rote Landesregierung.

(Grinst) Überrascht hat mich das nicht.

Aber doch herb enttäuscht?

Ich will es mal so sagen. Ich habe einige Wahlkampfveranstaltungen für die CDU bestritten, da ahnte ich, dass es bei der Wahl schief gehen könnte.

Der CDU fehlten eben die Führungsspieler.

(Lacht) Da ist was dran. Stefan Mappus hatte nicht den sonst üblichen Bonus eines Ministerpräsidenten. Noch viel deutlicher war aber zu spüren: Der Zusammenhalt unter Konservativen war nicht mehr so da wie früher, die Landespolitik spielte leider keine Rolle.

Die Christdemokraten im Land schweben weiter in akuter Abstiegsgefahr?

Das ist etwas übertrieben. Es fehlen die politischen Talente, die das Profil der Partei klar erkennbar machen. Programmatisch ist alles zu verwässert. Das Wesen der Demokratie ist die inhaltliche Auseinandersetzung - nicht Friede, Freude, Eierkuchen.

So betrachtet müsste Ihnen der VfB Stuttgart Freude bereiten. Die Nachfolge von Präsident Erwin Staudt sorgt für Diskussionsstoff.

Ich verfolge das mit großem Interesse. Wer wird denn nun neuer VfB-Präsident?

Der Aufsichtsrat hat sich auf den ehemalige Porsche-Manager Gerd E. Mäuser geeinigt. Eine gute Wahl?

Ich bin da etwas skeptisch.

Ein Präsident sollte viel vom Fußball verstehen

Warum?

Ich bin der Meinung, dass ein Präsident auch viel vom Fußball verstehen sollte. Herr Mäuser ist sicher ein guter Manager, als Fußball-Fachmann hat er sich meines Wissens bisher aber nicht profiliert.

Aufsichtsratschef Dieter Hundt sagt, ein mittelständisches Unternehmen wie der VfB brauche eine Führungskraft aus der Wirtschaft.

Dieser Vergleich hat mich noch nie so richtig überzeugt. Sie können im Fußball nicht immer nur auf die Zahlen schauen. Man muss auch bereit sein, ein gewisses Risiko einzugehen. Das ist Teil des Geschäfts. Wirtschaftsführer scheuen aber dieses Risiko.

Hansi Müller soll den neuen Präsidenten in sportlichen Fragen beraten.

(MV seufzt). Ja, ja, der Hansi. Ein netter Kerl. . .

. . . dem Sie diese Aufgabe nicht zutrauen?

Er plaudert eben ganz gern. Das macht er sehr gut. Doch ob er in wichtigen Fragen auch mal dagegenhält? Ich bin da nicht so sicher.

Was halten sie denn vom Hundtschen Plan eines mit Fachleuten besetzten Beirats?

Ich komme da nicht so ganz mit. Wo soll dieser Beirat denn angesiedelt sein? Unter dem Aufsichtsrat oder darüber? Und welche Kompetenzen hätte er dann? Es gibt ja auch noch den Ehrenrat. Welche Funktion hätte er dann noch?

Was würden Sie denn vorschlagen?

Ich würde es jedenfalls begrüßen, wenn der Aufsichtsrat der Mitgliederversammlung zwei Kandidaten mit abweichenden Konzepten vorschlägt. Ansonsten ist das doch keine richtige Wahl.

Die Satzung wurde doch während Ihrer Amtszeit als Präsident dahingehend geändert. Der Aufsichtsrat schlägt den zu wählenden Kandidaten vor.

Ja, das war auch der Wunsch der gesamten Liga, um Schlammschlachten um das Amt zu vermeiden. Aber so habe ich das nie gewollt. Mir sind die Aufsichtsräte viel zu mächtig geworden.

Die Mannschaft ist Kern des Unternehmens

Weil sie sich vielerorts im Tagesgeschäft mitmischen?

Das ist das Problem. Wenn Aufsichtsräte wollen, können sie durch öffentliche Äußerungen das operative Geschäft maßgeblich mit beeinflussen. Viele gehen davon aus, sie seien Fußball-Experten. Gedacht waren sie aber lediglich als Kontrollorgan. Stellen Sie sich mal vor, ein Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft würde sich permanent zu Fragen der Geschäftspolitik des Vorstands äußern.

Dieter Hundt sagte in unserer Zeitung, die Mannschaft ist zu teuer. Darf er das nicht?

Ich bin der Meinung, dass er das sagen darf, aber bitteschön intern.

Wie sollte der künftige Präsident den VfB Stuttgart führen?

Straff, zeitgemäß, mit dem nötigen Sachverstand und mit dem Mut auch mal unbequeme Entscheidungen zu treffen. Es ist ja toll, wenn ein Präsident viel von Marketing versteht und den Club nach außen hin sympathisch repräsentiert. Es reicht aber nicht, ein guter Außenpolitiker zu sein. Die Mannschaft ist immer noch der Kern seines Unternehmens. Er muss bei jeder wichtigen Verhandlung mit Spielern mit am Tisch sitzen. Nur so bekommt er ein Gefühl für seine Profis, wie sie denken und welche Einstellung sie zu ihrem Beruf haben.

Das Geschäft ist aber viel komplexer geworden als früher.

Das ist sicher richtig. Ich habe noch sämtliche Verhandlungen persönlich geführt. Oft saß nur der Vater mit am Tisch. Heute kommen schon die Juniorenspieler mit einem Kleinbus voller Berater und Rechtsanwälte. Man muss die Entscheidungen eben gut vorbereiten. Das letzte Wort muss sich aber ein Präsident immer vorbehalten.

Die ganze Branche stöhnt inzwischen über die Raffgier mancher Spielerberater.

Ich bin ja noch in der Player-Statuten-Kommission des Fußball-Weltverbands. Da beschäftigt uns dieses Thema permanent. . .

. . . aber es ändert sich nichts.

Abwarten! Die Dinge sind in Arbeit. Die Spielerberater sind die Blutsauger der Branche. Teilweise nehmen sie schon C-Jugendspieler unter Vertrag. Wir brauchen klare Regeln: Verträge mit Spielerberater gibt es erst ab der Volljährigkeit. Es muss auch klar sein, wie viel Prozent die Spielerberater nehmen dürfen. Teilweise kassieren sie mit an der Ablösesumme und partizipieren auch noch am Gehalt des Profis.

Zurück zum Anfang unseres Gesprächs: Was wünschen Sie sich von der neuen Landesregierung, und was vom VfB?

(Stützt das Kinn auf die Hand und denkt nach). Jetzt muss ich aufpassen, was ich sage. Von der Landesregierung wünsche ich mir eine Politik, die nicht das außer Acht lässt, was dieses Bundesland stark gemacht hat. Und vom VfB Stuttgart wünsche ich mir eine Rückkehr zur Philosophie, mit jungen, hungrigen Spielern zu arbeiten. Es kann doch nicht sein, dass sieben unserer Jungs mittlerweile bei 19899 Hoffenheim spielen.