Der frühere Daimler-Mitarbeiter Max Meister ist der neue Herbert bei „Tanz der Vampire“ in Stuttgart. Foto: Stage Entertainment / Jan Potent

Vom Maschinenbau zum Musical: Im Daimler-Werk in Untertürkheim hat Max Meister gearbeitet – jetzt erfüllt sich sein Traum: Bei „Tanz der Vampire“ ist der 26-Jährige der neue Herbert. Den schwulen Krolock-Sohn spielt er in Stuttgart auf seine Weise – nicht so extrem tuckig, wie man’s bisher kannte.

Stuttgart - Für den „süßen Popo“ von Alfred schwärmt er, für dessen „Wimpern, so zart wie Fäden aus purem Gold“. Herbert, der schwule Sohn des Grafen von Krolock, ist kaum noch zu bremsen. In „Wenn Liebe in dir ist, dann klingt aus dir Musik“, in einem der schönsten Lieder des Musicals „Tanz der Vampire“, turtelt er dem jungen Assistenten des Professors immer heftiger hinterher, bis sich dieser nicht anders zu helfen weiß, als dem aufdringlichen Verehrer, der gerade zubeißen will, ein Buch zwischen die Zähne zu stoßen – einen Liebesratgeber.

Das sitzt! Herbert zählt zu den heimlichen Stars des Polanski-Musicals. Im Film von 1967 war er der erste schwule Vampir in der Kinogeschichte. Max Meister, der im Palladium-Theater die Erstbesetzung als Krolock-Sohn von Milan van Waardenburg übernommen hat, nachdem dieser nach Berlin zum „Glöckner von Notre Dame“ gewechselt ist, schwärmt für die Vielfalt dieser Rolle. „Herbert ist unglaublich spannend, weil er eine interessante Mischung ist zwischen adelig, aristokratisch, bestialisch vampirisch, mächtig und arrogant“, sagt Meister, „da kommt vieles zusammen“.

Achtmal die Woche spielt der ehemalige Student der bald schließenden Hamburger Joop-van-den-Ende-Musicalschule den verliebten Vampir in Stuttgart, manchmal in der selben Show auch noch als Zweitbesetzung in Ensemblerollen des Nightmare 1 oder 2 – immer dann, wenn ein Kollege krankheitsbedingt ausfällt.

Bei Daimler war er Frühaufsteher

Stress war er gewohnt, sagt er, als sich sein Büro in der Truck-Sparte von Daimler in Untertürkheim befand und er im Auftrag des Arbeitgebers rund um die Welt geflogen ist. „Im Theater ist dies ein ganz anderer Stress“, weiß er nun. Samstags und sonntags gibt’s jeweils zwei Vorstellungen. Nur montags ist spielfrei. Nach der Show ist Meister meist so sehr aufgedreht, dass er noch lange nicht ins Bett kann und sich oft noch ins Nachtleben von Stuttgart stürzt. Bei Daimler sei er Frühaufsteher gewesen, jetzt hat sich sein Tagesablauf völlig gewandelt.

Dass „Tanz der Vampire“ ganz besondere Fans hat, die noch leidenschaftlicher und extremer sind als bei den meisten anderen Musicals, erlebt Max Meister fast jede Nacht an der Stage-Door. Dort wird er von Verehrerinnen mit den Kollegen erwartet, die ihm selbstgemachte Geschenke überreichen. Als neuer Krolock, als Herberts neuer Vater, tritt an diesem Donnerstag Musicalstar Thomas Borchert an, der die Rolle zuletzt in München und St. Gallen gespielt hat.

In Mannheim hat er Maschinenbau studiert

Eigentlich hatte sich Meister, der von 2009 bis 2012 in Mannheim Maschinenbau an der dualen Hochschule Baden-Württemberg studiert hat, für den Herbert in Wien beworben. Dort wird im Herbst der 20. Geburtstag des Musicals gefeiert. Diese Rolle bekam er nicht – landet aber durch die neu geknüpften Kontakte in der Erstbesetzung in Stuttgart. Als Herbert will er das bisher überspitzt inszenierte Schwulenklischee etwas zurückfahren und seinen eigenen Stil finden. Wahrscheinlich ist es nicht mehr zeitgemäß, die Lacher in der überdrehten Übertreibung zu finden. Vielleicht spielt er den Herbert authentischer, eher so, wie Schwule in Wahrheit sind. Meisters eigene sexuelle Orientierung geht uns nichts an. Zu seiner Rolle sagt er: „Für Herbert muss man selbst nicht schwul sein. Man muss ja auch kein Massenmörder sein, um Richard III. zu spielen.“

„Du zitterst vor Angst, Bursche“

Die Kunst ist ein Risiko, dachte sich Meister nach der Schule. „Was Gescheites“ wollte er lernen und ging „zum Daimler“. Schon als Kinder hatte er gesungen. Die Bühne war immer sein Traum. Erst aber durchlief der Tenor eine solide Ausbildung, um danach seinem Herzen zu folgen. Bereits vor Abschluss der Musicalschule bekam er seine erste Hauptrolle. Im Palladium macht es ihm Spaß, als Herbert mit Alfred zu spielen, etwa in der Badezimmer-Szene. „Du zitterst vor Angst, mon chérie“, sagt er dem Kerl mit dem „süßen Popo“ und singt wonnetrunken: „Wenn Liebe in mir ist, dann kann ich nicht wiederstehen.“ Der Liebe zur Musik konnte der Ex-Daimler-Mann auch nicht widerstehen. Es ist schön, wenn das Herz siegt.