Ein Grill für Fußballfans. Foto: Georg Linsenmann

Beim Grillen führen alle Wege zum Max-Eyth-See, ob zur Party oder zum Familientreffen.

Hofen - Grill-Dorado Max-Eyth-See. Das Ding hat seinen Ruf weg. Und wer sonntags ein schönes Plätzchen will, der sollte nicht erst zur Mittagszeit eintrudeln, heißt es. An diesem Sonntag mit Sahara-Hitze aber zeigt sich ein etwas anderes Bild. Vereinzelte Rauchzeichen und unzählige Schattenspiele modellieren den Blick über die wellige Landschaft südwestlich des Sees. Nur ganz Verwegene wagen sich unter den freien Himmel. „Heute ist die Sonne ja auch ein Grill“, meint Mary aus Hofen, die sich im Schattenwurf eines jungen Ahornbaumes niedergelassen hat. Energisch fächelt sie mit der leeren Packung Grillanzünder über der schon über die Ränder hinaus glimmenden Holzkohle.

Seit „mindestens zehn Jahren“ kommt die 21-Jährige zum Grillen an den See: „Mit Freunden hierher zu gehen, sobald es warm wird, das ist ganz normal. Jeder findet hier ein Plätzchen. Heute sowieso.“ Anderswo könne man zwar auch open air brutzeln, „aber hier ist die beste Grillstelle in ganz Stuttgart“, pflichtet Freundin Zlatina bei. Und so werden sie einmal mehr auf einschlägige Weise den Sonntag am See verbringen. Übrigens mit einem, wie sie einräumen, „abartigen Nachtisch“: mit gegrillten Marshmallows.

Aus allen Stadtteilen kommen die Menschen an den See

Langsam aber sicher kommt ein bisschen Schwung in die Szenerie am See. Am Zuweg aus Richtung Haltestelle Wagrainäcker herrscht Betriebsamkeit. Wer den Schilderwald bereichern wollte, könnte nun ein „Vorsicht Lieferverkehr!“ hinpflanzen. Der Platz vor der Halbschranke ins Gelände ist kompakt belegt, oft bis knapp ans Gleis der Stadtbahn: mit den Autos, aus denen Material und Gerätschaften herangeschafft werden.

Nicht weit hat es da Khan Nguyen mit der „letzten Lieferung“, mit einem Kasten Bier. Gleich rechts nach dem Eingang hat er sich mit der Familie niedergelassen. Der Vietnamese, der weiß, dass er denselben Nachnamen trägt wie der deutsche Turner mit dem doppelten olympischen Edelmetall, wartet noch auf weitere Familienmitglieder: „Aus Degerloch, Stuttgart-Mitte, Cannstatt, Möhringen, Waiblingen. Alle kommen heute hierher“, sagt Khan Nguyen erfreut, während ein knappes Dutzend junger Männer, Frauen und Kinder bereits an den flächenmäßig ausgebreiteten Speisen knabbert. Auch der Mops kriegt seine Häppchen ab, stilvoll mit Stäbchen gereicht: „Wir haben schon Hunger, wir wollen ein bisschen voressen“, sagt der Grillmeister und lacht.

Bis dahin wird es noch etwas dauern bei Necati Sökmen. Erst muss er mal mit den Frauen diskutieren, wo man sich niederlassen soll. Anschließend gehen die Damen mit den Kindern ins Freibad, für zwei bis drei Stunden. „Da können wir alles schön aufbauen“, meinte Hasan Örer, dessen Familie aus Weilimdorf sich hier öfters mit den Sökmens aus Stuttgart-West trifft. „Einwandfrei“. Das ist das Gütesiegel, das Necati Sökmen dem Eyth-Areal und seiner Tauglichkeit fürs Grillen verpasst. Der 51-Jährige ist hier Dauergriller, seit 36 Jahren: „Da kommen so viele Leute aus so vielen Ländern. Aber ich habe noch nie Stress gehabt“, betont er, „alles einwandfrei.“

Zusammensitzen und über Gott und die Welt reden

Voll im Gange ist dagegen der Palaver ein paar Dutzend Schritte weiter unter einem ausladenden Ensemble von Trauerweiden. Kleiner dürfte der Schattenplatz auch kaum sein, denn hier ist ein kapitales Familientreffen im Gange. Und der Mann mit dem großen Strohhut wirkt auf den ersten Blick wie der natürliche Ansprechpartner: „Stimmt, ich bin der Stammesfürst“, meint Mulualem Naizghi mit breitem Grinsen – und erntet dafür das schallende Gelächter der ausladenden Runde.

Der Mann aus Äthiopien, Angestellter bei der Stadt Stuttgart, spricht ein elegantes, astreines Schriftdeutsch und eröffnet sofort ein sich dehnendes Gespräch über Emigration und Immigration, über Kultur und Multikultur, was bis zurück zum biblischen Paar Maria und Joseph führt: „Äthiopien war bis in die jüngere Geschichte eine gemischte Kultur von Einwanderern. Das hat uns geprägt. Wir mögen es, im großen Kreis zusammenzusitzen, zu essen und zu reden, zu feiern und zu lachen. Wir sind offene Leute. Das ist unsere Mentalität. Aber Deutschland ist auch ein offenes Land.“

Petro Grasso, der den italienischen Zweig der Familie vertritt, ebenso gekommen wie die Schwäger aus Aalen und Schwäbisch Gmünd, ist sich da nicht so sicher, meint aber: „Es ist schon klasse, dass hier so viele Menschen aus verschiedenen Völkern zusammen sind. Keiner stört den anderen, jeder hat gute Stimmung.“ Der „Stammesfürst“ ergänzt: „Ein solches Großtreffen können wir nur hier machen. Das ist ein großer Erholungsplatz in dieser grünen Großstadt.“

Multi-Kulti im Schwabenländle

Im Klappsessel mit integrierter Getränkebox steckt ein naturtrübes Schwaben-Bräu, und nebenan pflegen Felix und Yvonne als „Echt-Schwaben“ aus Schwieberdingen „Spontan-Grillen in der erweiterten Kleinfamilie“. Die 21-jährige Dung aus Vietnam hofft, dass ihre Facebook-Party noch etwas Schwung bekommt. Einstweilen spielt sie mit Esra aus Spanien und einigen weiteren Freunden Karten.

Patrick, der Brite, lässt mit den Freunden aus Feuerbach ein Rugby-Ei durch die Gegend sirren, während Gabrielle, das Aupair-Mädchen aus der Bretagne, mit der Gastfamilie aus Botnang lieber Indiaca spielt. Das Pärchen aus Slowenien streichelt seine iPhones, eine Gruppe junger Alaviten lässt es sich an den Wasserpfeifen gut gehen. Alexandre aus Marokko hat die Rahmentrommel ausgepackt, Miguel aus Kolumbien zupft die Gitarre. Im Schattenzelt träumt das Baby eines Paares aus Indien, am Seeweg grillt ein Grüppchen aus Taiwan. Langsam neigt sich die Glutsonne hinters Neckarufer. Ein Däne schaukelt in der Hängematte, während ein Schwarm Gänse in idealer Formation die Kurve zum See nimmt. Einige wilde Jungs wagen tatsächlich den Sprung ins kühlende Nass. Die ersten schütteln die Picknick-Decken aus und packen zusammen. Bis zur nächsten Session im Grill-Dorado.