Miro Ribolovac vom Anglerverein und eine Tonne voll verendeter Fische Foto: Fotoagentur Stuttg/Andreas Rosar

Die Situation am Max-Eyth-See nimmt katastrophale Ausmaße an. Das Hilfswerk und der Anglerverein waren Tag und Nacht im Einsatz.

Stuttgart - Fast könnte man meinen, es sei alles wie immer am Max-Eyth-See. Die Sonne scheint, Spaziergänger flanieren ums Wasser, ein Verleih-Boot gleitet wie immer durch den See. Doch an diesem Mittwochvormittag ist irgendetwas faul. Wortwörtlich, immer wieder steigt ein strenger Geruch in die Nase: der Geruch von totem Fisch. Ein Blick ins Wasser genügt, um die Quelle des Gestanks zu erfassen. An der Oberfläche treiben verendete Tiere in allen Größen und Formen.

Die Situation ist ernst. Das betont der Vorsitzende des Württembergischen Anglervereins (WAV), Hans-Hermann Schock, immer wieder. Seit der See am Wochenende gekippt war, seien zwischen 40 000 und 50 000 Fische verendet. Daran konnten auch die Pumpen des von der Stadt Stuttgart auf den Plan gerufenen Technischen Hilfswerks (THW) und die Teichbelüfter des WAV nichts ändern. Durch sie sollte das Wasser wieder mehr Sauerstoff bekommen. Nun hat Hans-Hermann Schock resigniert: „Der See ist tot. Wir bauen unsere Technik ab.“

Die Stadt will die 14 Pumpen des THW noch bis Samstag laufen lassen. Immer wieder misst sie den Sauerstoffwert, um die Situation einschätzen zu können. Am Mittwochmorgen waren 1,3 Milligramm Sauerstoff pro Liter im Wasser, sagt Stadt-Sprecherin Ann-Katrin Gehrung. „Das ist natürlich viel zu niedrig.“ Laut Hans-Hermann Schock „stirbt alles“ bei weniger als vier Milligramm pro Liter.

Nicht nur der fehlende Sauerstoff ist das Problem

Das Sterben der Tiere liegt laut Hans-Hermann Schock aber nicht unbedingt nur am niedrigen Sauerstoffwert. Mit Schildkröten seien auch Tiere gestorben, die zum Atmen an die Luft kommen. Deshalb müsse man sich überlegen, ob das Wasser selbst toxisch ist. „Vielleicht hatten wir dieses Jahr besonders giftige Blaualgen“, sagt er. Die Helfer vom THW habe er zu besonderer Vorsicht beim Umgang mit dem Wasser aufgerufen.

Der Fischervorstand spart nicht an Kritik an der Politik. Schließlich ist es nicht das erste Mal, dass Tiere im Max-Eyth-See sterben. Sämtliche Umgestaltungen der Stadt kann er nicht gutheißen. Dazu gehören etwa die Renaturierungsmaßnahmen am See. Durch sie seien natürliche Gegebenheiten abgeschafft worden, die Zustände wie den aktuellen hätten verhindern können. „Es scheint an einem Gesamtkonzept zu fehlen, das von der Politik verfolgt wird“, sagt er. Auch die CDU im Stadtbezirk Mühlhausen mokierte sich über das „umweltpolitische Versagen“, vor allem den Umweltbürgermeister Peter Pätzold der Stadt prangerte sie an. In der Zwischenzeit scheint die Landeshauptstadt aktiv zu werden. „Wir sind dabei, über langfristige Maßnahmen zu beraten“, sagt Ann-Katrin Gehrung. Noch gebe es aber keinen festen Beschluss.

Stuttgarts Sorgen-Seen

Langfristige Maßnahmen würden sich für die Stuttgarter Seen sicher lohnen: Bereits im August 2018 musste zum Beispiel die Feuerwehr am Max-Eyth-See anrücken, um ein größeres Fischsterben zu verhindern. Im Sommer 2015 wurden 500 Kilo toter Fisch aus dem See geborgen. Und auch im Möhringer Riedsee musste die Feuerwehr allein im Jahr 2015 mehrfach ausrücken, um möglichst viele Fische zu retten. Dessen ist die Stadt sich durchaus bewusst. „Wir haben auch die anderen Seen im Blick“, sagt Ann-Katrin Gehrung. Die Wasserqualität werde regelmäßig geprüft. Bisher sei dort noch nichts Auffälliges zu bemerken. „Wir hoffen, dass das so bleibt“, sagt Gehrung.

Nun ist es die Aufgabe des Anglervereins, die toten Tiere zu bergen. Dafür setzen sich zurzeit drei bis vier Mitglieder des Vereins mit Keschern in Boote und sammeln die Fische ein. Sie arbeiten eng mit dem THW zusammen, das seit Sonntagabend rund um die Uhr vor Ort ist. An diesem Tag sind elf Freiwillige am See. „Viele Leute sprechen uns an und fragen, was los ist“, sagt THW-Einsatzleiterin Jana Schulte. Den meisten komme die Szenerie aus den vorigen Jahren bekannt vor. Auch dem WAV begegnen viele mit Fragen – und mit Entsetzen über die Situation.

Wie es jetzt weitergeht? „Wir haben die Hegepflicht und müssen dafür sorgen, dass der Fischbestand erhalten bleibt“, sagt Schock. In diesem Fall muss der Anglerverein eventuell Fische kaufen und sie im See ansiedeln. Das passiere aber erst, wenn die Stadt ein schlüssiges Konzept vorlege und das Wasser giftfrei sei.