Warum die Sportler den Führungs- und Kommunikationsstil ihres kommissarischen Präsidenten Matthias Große kritisieren.
Stuttgart - Viele Athleten haben sich zuletzt ja sehr deutlich positioniert in (sport)politischen und gesellschaftlichen Fragen. Rassismus, Polizeigewalt, die Folgen der Corona-Krise, die Verlegung der Olympischen Spiele – Themen, die sie bewegt haben, gab es genug. Und Aussagen, in denen sie Haltung gezeigt haben, ebenfalls. Das wurde auch von den meisten Funktionären im Sport begrüßt. Umso erstaunlicher ist, was derzeit im deutschen Eisschnelllauf passiert. Weil dort Sätze fallen, von denen die Athleten wissen, dass sie diese eigentlich gar nicht sagen sollten.
Es geht dabei um den Führungsstil von Matthias Große. Er ist nicht nur der Lebensgefährte von Olympiasiegerin Claudia Pechstein, sondern seit einem Monat auch der kommissarische Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gesellschaft (DESG). Und zudem eine Persönlichkeit, über die kontrovers diskutiert wird.
Angst, die eigene Meinung zu sagen
Zum Beispiel, nachdem er die Sportlerinnen und Sportler schriftlich dazu aufgefordert hatte, alle Medienanfragen doch bitteschön künftig direkt an die Pressestelle des Verbandes weiterzuleiten und sich selbst nicht mehr öffentlich zu äußern. „Aus meiner Sicht klingt das wie ein Maulkorb. Jetzt denken viele ganz genau nach, ob und mit wem sie kritische Gedanken teilen“, sagte Leon Kaufmann-Ludwig, einer der Athletensprecher der DESG, der „Süddeutschen Zeitung“. Und sein Kollege Moritz Geisreiter bestätigte, wie frostig das Klima bei den Eisschnellläufern aktuell ist: „Seit einigen Wochen sehe ich mit Sorge das Entstehen einer gewissen Angst, die eigene Meinung zu sagen. Auf mich kommen Sportler zu und erklären ungefragt, dass sie Bedenken haben, sich zu äußern, weil sie nicht wissen, ob sie dann ihren Kaderstatus behalten. Wir erleben gerade eine unangenehme Phase der Kontroversen.“
Dazu gehört auch der Fall Erik Bouwman. Boss Große verkündete vor zwei Wochen in Berlin, dass dem Bundestrainer schriftlich das Ende seines Arbeitsverhältnis mit der DESG zum 31. Juli mitgeteilt worden sei – wogegen der Niederländer rechtliche Schritte angekündigt hat. Hintergrund der Kündigung ist das seit einem Jahr anhaltende Zerwürfnis zwischen Großes Lebensgefährtin Pechstein und Bouwman, nachdem der Bundestrainer erklärt hatte, er habe „null Bock“, die fünfmalige Olympiasiegerin zu trainieren. Daraufhin hatte es eine monatelange Schlammschlacht zwischen beiden Seiten gegeben. Und nun die Trennung, welche die Athleten durchaus überrascht hat.
Es gibt noch viel Gesprächsbedarf
„Von der Kündigung haben wir aus der Presse erfahren“, erklärte Moritz Geisreiter, „Kollegen, die mit mir sprechen, sagen, sie sehen keinen anderen Profiteur als Pechstein und Große. Sie würden gerne mit Bouwman weiterarbeiten.“ Leon Kaufmann-Ludwig ergänzte, es sei kein Zufall gewesen, dass die Meinung der Athleten im Fall Bouwman keine Rolle gespielt habe: „Große muss klar gewesen sein, dass es dafür keine Zustimmung der Athleten gab. Es waren ja nur Claudia Pechstein und er, die einen öffentlichen Streit mit Bouwman hatten.“
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Was nur zeigt, wie dünn das Eis ist, auf dem sich Matthias Große aktuell bewegt. Am 19. September will er offiziell als neuer DESG-Präsident gewählt werden. Davor, so ist zu vermuten, gibt es noch reichlich Gesprächsbedarf.