Da ist noch alles gut: Fütterung in Nistkasten 7. Foto: Screenshot

Der Nachwuchs ist geschlüpft, aber plötzlich liegt ein Junges hilflos neben dem Nest. Wer ist schuld, wer kann helfen? Teil 3 unserer Serie, in der wir Mauerseglerfamilien begleiten.

Was für ein großes Rätsel ist doch so ein frisch geborenes Kindlein für seine Eltern. Nackt und schrumpelig liegt es da, die Augen wandern ziellos herum. Nicht wirklich schön, eher alienhaft sieht es aus mit seinen unkontrollierten Bewegungen und den geburtsbedingten Dellen im großen Kopf.

 

Schreischrei den ganzen Tag lang und trotzdem hat man es gleich unbändig lieb. Muss auch so sein, weil das Kind einem alles abverlangen wird, also wirklich alles und noch viel mehr. Niemand hat ja vorher auch nur die leiseste Ahnung, wie zehrend es sein kann, so ein Baby satt und schlafend zu bekommen. Jeden Tag.

Das ist bei Mauerseglers nicht anders. Ab Ende Mai brachen in den Nistkästen des Muse-O in Gablenberg, deren Innenleben wir am Livestream und mit einer kleinen Artikelserie begleiten, die Eierschalen auf. Erst zwei in Höhle 3, dann zwei weitere in der 7 und zuletzt eines in der 15. Nur in Nistkasten 1 ist noch kein Junges geschlüpft. Dort war einer der Vögel gestorben, der andere fand einen neuen Partner für neue Eier (wir berichteten). Jedenfalls ist das Paar in Höhle 1 deshalb mit dem Brüten in Verzug.

Die Kamera fiel einfach aus

Auch um die frisch Geschlüpften entspann sich bald ein kleines Drama. Diesmal war Nistkasten 3 der Schauplatz, wobei im entscheidenden Moment doch tatsächlich die Kamera ausfiel, als hätte sie der Täter lahmgelegt! In der entsprechenden Videosequenz sieht man den Elternvogel eben noch hastig Insektenbrei aus seinem vollen Kehlsack in die Schnäbel der zwei Jungen stopfen. Dann bricht die Aufnahme ab. Danach liegt eines der Küken plötzlich neben dem Nest und strampelt hilflos mit den Stummelbeinchen. War es unfreiwillig herausgepurzelt? Hatte es ein vom Schlafentzug zermürbtes Elternteil mit postpartaler Depression hinausgeworfen? Wir werden es nie erfahren.

Im Youtube-Chat zum Livestream entspann sich sogleich ein panisch-empathisches Hin-und-Her der Mauersegler-Fans über die Frage, wie nun das Junge vor dem sicheren Tod gerettet werden könnte. Aber flugs war schon das Mauersegler-Team zur Stelle, das die Nistkästen im Stadtteilmuseum Gablenberg betreut. Petra Tenzlinger, Stefanie Erhardt und Klaus Sturm haben die Höhlen und die Übertragung ins Internet unter ihren Fittichen. Das Küken wurde wieder ins Nest gesetzt. Und von den Eltern klaglos weiter gefüttert. Uff! Seither herrscht wieder der normale Alltagswahnsinn in den Boxen. Die Elternpaare sind abwechselnd mit Ausfliegen, Instektensammeln, Füttern, Auf-den-restlichen-Eiern-sitzen beschäftigt. Zweisamkeit isch over. Gut, dass Vögel nicht duschen müssen, denn dazu kämen sie derzeit kaum.

Rechts unten sieht man das Küken auf dem Boden liegen. Foto: Screenshot

Lustig ist das alles mitunter anzusehen. Wenn beispielsweise die Kleinen nach der Fütterung unersättlich immer weiter die Schnäbelchen nach oben recken, und sich das Elterntier dann einfach auf die ganze Brut setzt, als wollte es sagen: „Isch jetzt endlich mal a Ruh’!“ Und es dann unter seinem Federkleid trotzdem weiter rumort und nach oben pickt, sodass der Vogel wie auf dem Meer hin und her geschaukelt wird.

Wer selbst Kinder aufgezogen hat, erkennt sich in dem Treiben vielleicht wieder. War es nicht genau so im Wochenbett? Dieser Taumel aus Erschöpfung und Glück, Euphorie und Panik, während man ständig stillte, schaukelte, wickelte und dachte „Das geht nie wieder vorbei“? Achja. Schön war’s, aber auch ein bisschen schlimm. Und den Mauersegler-Eltern möchte man zurufen: Haltet durch! Sie werden ja so schnell groß.

Stuttgarter Mauersegler beobachten

Livestream
Mit 8 Digitalkameras wird das Treiben in den Nistkästen des Muse-O Gablenberg aufgezeichnet. Ein Livestream auf Youtube schaltet derzeit zwischen den vier belegten Nisthöhlen hin und her. Im zusätzlichen Mauersegler-Blog begleiten die Beobachter die Brut 2025 und stellen besonders interessante Video-Sequenzen ein: www.mauersegler-stuttgart.de. Dort findet man auch Material aus der vergangenen Saison.

Serie
In mehreren Artikeln wollen wir die Mauersegler-Familien in unregelmäßigen Abständen durch diese aufregende Zeit begleiten. Den ersten Teil der Serie finden Sie hier. Den zweiten hier.