Mathias Richling kann viele parodieren – besonders gut Winfried Kretschmann. Foto: dpa/Marijan Murat

In seinem Jahresrückblick 2019 im Theaterhaus hat der Kabarettist Mathias Richling nicht nur die Grünen hochgenommen.

Stuttgart - Warum hat eine Blondine genau eine Gehirnzelle mehr als ein Pferd? Damit sie beim Aufwischen nicht aus dem Eimer trinkt. Für einen solchen Witz droht heutzutage akute Shitstormgefahr, und darum legt Mathias Richling diese Zote einem Promi in den Mund: Boris Becker. Dem Ex-Tennisstar nimmt man derlei Anzüglichkeiten ab, und Richling testet damit auch gleich mal die Toleranzgrenzen des Publikums, bevor er über Sprach-und Denkverbote im Zeitalter umfassender Political Correctness räsoniert. Den gelben Sack, so Richling, dürfe man auch nicht mehr so nennen, weil sich die Chinesen sonst beleidigt fühlten.

Sprachliche Volten

90 Minuten nonstop dauert Richlings neues Programm, das er im gut besuchten, wenn auch nicht ausverkauften T1 im Theaterhaus vorgestellt hat. Ein satirischer Jahresrückblick, bei dem so ziemlich alles abgehandelt wird, was 2019 von öffentlichem Interesse war, und den Richling in seiner gewohnten Art präsentiert, als sprachliche Volten schlagender Zappelphilipp, der dem Publikum (und sich selbst) bei seinem Parforceritt keine Ruhepause gönnt.

Los geht es mit der SPD, die gleich zwei neue Parteichefs gefunden hat und sich, Kevin Kühnert sei Dank, nun von den „unübersichtlichen Wählermassen“ abgewendet habe. Dann nimmt sich Richling die Grünen vor. Die hätten vor 40 Jahren „die Umwelt erfunden“ - aber, zum Teufel, das Wetter sei nicht einen Deut besser geworden!

Der mahlende Landesvater

Mentale Kurzschlüsse dieser Art kann man ja durchaus bei Passantenbefragungen hören, aber richtig brillant ist Richling da, wo er Aspekte der Realität so aufeinanderprallen lässt, dass sich daraus Erkenntnisfunken schlagen lassen. Beispiel Feinstaub. 40 Mikrogramm pro Kubikmeter beträgt der gesetzliche Grenzwert für Straßen, 950 Mikrogramm für die Luft am Arbeitsplatz. Richlings Lösung: einfach alle Straßen zu Baustellen umwandeln, dann werden die Grenzwerte eingehalten.

Bekannt geworden ist Richling in den 70er Jahren als Parodist. Kohl, Genscher, Schmidt, Strauß, er hatte sie alle drauf. Seine aktuelle Paraderolle ist, neben Oettinger, der Landesvater Kretschmann, dessen mahlendes Schwäbisch er perfekt beherrscht. Nach dem Krieg, so lässt er ihn philosophieren, sei die Bevölkerung freigiebiger gewesen. „Wenn man nix hat, kann man des halt leichter teilen wie wenn mer was hat. Um mit Flüchtlingen zu teilen, geht es uns nicht schlecht genug.“ Richling schont keinen, schon gar nicht Alice Weidel, die in bewährter AfD-Manier das Dritte Reich relativiert: Nur weil es Auschwitz und den 2. Weltkrieg gegeben habe, sei doch der Nationalsozialismus als solcher keine schlechte Idee! Denken ist keine Sünde, lautet Richlings Schlusswort. Dem ist nichts hinzuzufügen.