Die Endlichkeit, sagt Mathias Richling, verunsichere ihn am meisten im Leben: „Gleichzeitig ist aber die Endlichkeit auch eine Versicherung – denn auch der Terror ist endlich“. Foto: SWR-Pressestelle

Der Streit um die Flüchtlingspolitik und die erstarkte AfD wird die CDU spalten, prophezeit Mathias Richling. Der Unionsflügel um Angela Merkel könne dann der kleinere Koalitionspartner des Grünen Winfried Kretschmann werden, wünscht sich der Kabarettist im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten.

Flüchtlingskrise, Terror, Bundeswehreinsatz in Syrien – bei den beherrschenden Themen fällt das Lachen schwer. Wie gehen Sie als Kabarettist damit um?
Man muss bei diesen Themen auch gar nicht lachen. Es sei denn hysterisch, weil man am Durchdrehen ist. Wichtig ist in der Satire, Analysen zu vertiefen, Emotionen zu korrigieren, Hintergründe sowie Ursachen neu und immer wieder zu benennen und die Reaktionen zu hinterfragen. Da kommt man zu unerwarteten Zusammenhängen, und dann muss man auch gegen den Terror anlachen.
Ich verstehe, weil man gegen den Terror anlachen muss, ist der Innenminister mit „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“ zur Lachnummer geworden. Hätte er besser geschwiegen?
Nein, die Menschen sind beruhigter, wenn sie das Nichts, was gesagt werden soll, in verständliche Worte verpackt bekommen. Hätte Herr de Maizière jetzt klare Antworten gegeben, wären die Zuschauer so irritiert gewesen, dass sie gar nicht mehr hätten zuhören können vor Fassungslosigkeit. Denn dass er mit dem, was er sagt, nichts sagt, ist seine Natur. Das hat er schon getan bei Problemen mit der Drohne, mit der NSA etc. Er wird von Frau Merkel offensichtlich immer da eingesetzt, wo es nichts zu lachen gibt, damit die deutschen Bürger ein wenig aufgelockert werden und abgelenkt sind.
Auch Sie lassen uns gegen schlimme Dinge anlachen. Halten Sie ebenso Antworten zurück, um Ihre Fans nicht zu verunsichern?
Nein. Ein Kabarettist kann sich nur verschlucken, wenn er was zurückhält. Es sei denn, er hält etwas zurück, um den Zuschauern die Möglichkeit zu geben, selbst weiter zu denken. Das mache ich manchmal. Und dann erzählen mir die Menschen nach der Show Dinge, auf die ich nie gekommen wäre, die mit dem Thema nicht das Entfernteste zu tun haben.

„Die Endlichkeit“ verunsichert ihn

Was verunsichert Sie im normalen Leben?
Die Endlichkeit. Gleichzeitig ist aber die Endlichkeit auch eine Versicherung. Denn auch der Terror ist endlich. In solchen Fällen dauert mir die Endlichkeit dann wieder zu lange. Also wenn ich es hin und her drehe, muss ich sagen, dass mich im normalen Leben am meisten das Leben verunsichert.
„Deutschland to go“ heißt Ihr Programm. Soll Deutschland gehen, wenn immer mehr Flüchtlinge kommen und das Land überläuft?
Was heißt überlaufen? Die Flüchtlinge bringen ja nicht das ganze Wasser aus dem Mittelmeer mit. Am besten geht Deutschland zwischendurch immer mal in sich. Denken ist eine sichere Heimat. Und da findet man auch Erinnerungen – zum Beispiel daran, dass Deutschland nach dem Krieg 15 Millionen Flüchtlinge aus dem Osten aufgenommen hat. Das waren zwar damals Menschen aus demselben Kulturkreis. Aber wir wissen ja von einem unbekannt gewordenen Bundespräsidenten, dass der Islam inzwischen auch zu Deutschland gehört, also hat sich unser Kulturkreis erweitert, und wir sind auch in dieser Hinsicht offener. Denn immerhin nehmen wir ja auch Leute auf wie die aus der rechtspopulistischen AfD, die nicht zurück in ein Ursprungsland abgeschoben werden.
Die Kanzlerin sagt „Wir schaffen das“. Können Sie uns, da Sie in jeden Politiker hineinschlüpfen, also ganz nach innen schauen können, erklären, was sie damit sagen wollte?
Na, was gibt es an diesem Satz denn nicht zu verstehen? Wir haben mit zweistelligen Milliardenbeträgen Banken in der Krise gerettet, und Frau Merkel musste sich anhören, für die Menschen und für Soziales steht nichts zur Verfügung. Jetzt stellt sie es mit den Mitteln der Bürger zu Verfügung, und nun ist es auch wieder nicht recht. Soll sie lieber wieder eine Bank retten? Hier möchte ich auch nicht Kanzlerin sein.
Sie haben die Kanzlerin auf die Couch von Freud gelegt. Hilft Tiefenpsychologie, um zu erklären, warum Angela Merkel neben Seehofer in München alles geschluckt hat?
Hätte sie sich gewehrt, hätte es nur patzig sein können, und schon wären alle über sie hergefallen, dass ein Eingehen auf einen Kleingeist einer Kanzlerin unwürdig sei und sie doch darüber stehen müsse und man mit der Wucht des Kanzleramts keine Maus zertritt und so weiter und so weiter. Sie hat ihm zugesehen, wie er sich selbst decouvriert. Sie ist eben nicht klein genug, um ihm mehr antun zu wollen.

An der Seite von Kretschmann und Merkel

Bei den Kleingeistern nehmen Sie Winfried Kretschmann ausdrücklich aus, als dessen Fan Sie sich bei unserem letzten Interview geoutet haben. Was muss er machen, damit er es bei der Landtagswahl doch noch schafft?
Das hat er doch schon getan. Gerade hat er Frau Merkel gelobt als „unglaublichen Stabilitätsfaktor in Europa“ und ihre „große Weitsicht“ gerühmt. Wenn in der Europäischen Union wieder nationale Grenzen errichtet würden, schalte Europa den Rückwärtsgang ein. „Das will sie verhindern, und ich bin ganz an ihrer Seite“, sagt Kretschmann. Braucht es mehr an Hinweisen?
Sie stehen also an der Seite von Kretschmann und Merkel. Aber auch an der Seite der CDU?
Die CDU in Baden-Württemberg hat darauf gedrungen, die in der Flüchtlingskrise erstarkte AfD nicht mehr „rechtspopulistisch“ zu nennen, damit sie bei knappem Wahlausgang koalitionsfähig wird. Das widerspricht Frau Merkel. Also wird sich die CDU im Land aufspalten, wie es die AfD schon getan an, und wird in der AfD aufgehen. Frau Merkel kann mit ihrer Bundes-CDU für Winfried Kretschmann der kleinere Koalitionspartner sein. Ist doch alles klar!
Und was wird dann aus Guido Wolf? Haben Sie den eigentlich schon drauf?
Guido wer? Ist mir unbekannt. Aber drauf hab’ ich ihn schon.
Wie schneidet OB Kuhn in seiner bisherigen Amtszeit bei Ihnen ab?
Seit wann ist Fritz Kuhn denn OB? Wenn, dann ist er ein Beweis, dass man Politik auch unaufgeregt und unauffällig und leidenschaftslos gestalten kann. Großartig.
Mit Leidenschaft beziehen Sie seit Jahren Stellung gegen Stuttgart 21. Wird das ein Thema bei Ihrem Auftritt an diesem Samstag in der Liederhalle? Und was erwartet uns sonst noch?
Alles, was das Jahr hergegeben hat. Alles, was wir gerade besprochen haben, und alle, die uns in diesem Jahr wieder behelligt haben. Bei mir ist es wie bei Stuttgart 21: Es bleibt kein Stein auf dem anderen.
Dieses Jahr war ein besonderes Jahr mit Ereignissen, die Angst machen. Haben Sie so etwas in den 40 Jahren Ihrer Kabarettkarriere schon mal erlebt?
Ja, jedes Jahr. Und wenn es einem nicht so vorkommt, dann heißt das nur, dass man die Erinnerungen gnädig wegblendet. Denn wie Sie aus der Psychologie wissen, bleiben die positiven Dinge länger im Gedächtnis.
Gar nicht positiv bleibt uns im Gedächtnis, dass Helmut Schmidt in diesem Jahr gestorben ist. Wer kann ihn in seiner Rolle als wichtigster Ratgeber der Nation ersetzen?
Niemand!! (Richling macht eine Pause, zieht an einer imaginären Zigarette). Niemand!
Mathias Richling tritt an diesem Samstag, 20 Uhr, im Mozartsaal der Liederhalle mit „Deutschland to go – Das Programm von 2015“ auf (Regie: Günter Verdin). Karten gibt es unter Telefon 0711 / 55 06 60 77, im Internet unter www.mruss-tickets.de sowie an der Abendkasse.