Adrian „Jackpot“ Lewis Foto: Getty Images Europe

Der amtierende Weltmeister Adrian Lewis aus England ist inzwischen der härteste Konkurrent seines Lehrmeisters Phil Taylor.

Sindelfingen - Phil Taylor gilt als der beste Dartspieler unserer Zeit. Adrian Lewis hat viele Jahre bei ihm trainiert. Nun ist er zweifacher Weltmeister und im Begriff, seinem Lehrmeister den Rang abzulaufen. Auch in Sindelfingen will Lewis auftrumpfen.

3. Januar 2011, Alexandra Palace, London. 3500 Zuschauer grölen sich die Seele aus dem Leib. Bierzeltstimmung wie beim Volksfest. Alkoholgeruch liegt in der Luft, die Hitze auf der Bühne ist kaum erträglich. Doch wer dachte, das wäre schon alles, hat sich getäuscht. Es geht noch mehr.

Im Finale der Dart-WM steht es 1:1 zwischen dem Engländer Adrian Lewis und dem Schotten Gary Anderson, der das dritte Leg beginnt. Er legt sofort eine 180 vor – die Maximalausbeute mit drei Pfeilen. „Oooonehundretandeighty!“ hallt es aus dem Mikrofon des Callers, des Hallensprechers, der den Punktestand ansagt. Dann ist Lewis dran. Auch er schafft die 180. Wieder reißen Hunderte von Fans ihre 180-Schilder in die Luft, der legendäre „Onehundretandeighty“-Ruf lässt nicht lange auf sich warten.

Triple 19, Doppel 12 – das perfekte Spiel

Anderson kann das Niveau nicht halten. Sein Gegenüber aber schafft erneut das Maximum. Noch drei richtig platzierte Pfeile bis zum perfekten Spiel, dem sogenannten Neundarter. Als Lewis wieder an der Reihe ist und den ersten Pfeil erneut im Triple-20-Feld versenkt, steht die Halle kopf. Jeder seiner perfekt getroffenen Pfeile wird mit einem lauten Schrei bejubelt. Triple 19, Doppel 12, dann ist es so weit: Als erster Spieler der Geschichte hat Lewis in einem WM-Finale das perfekte Spiel hingelegt.

„All day, all day, Adrian Lewis all day“ singen seine Fans. Neben der 2:1-Führung bringt ihm der Neundarter auch 10 000 Pfund (knapp 12 000 Euro) Prämie ein. Nur zur Erklärung: Die kleinen Triple- und Doppelfelder sind gerade einmal acht Millimeter hoch. Der damals 25-Jährige traf diese neunmal in neun Versuchen aus 2,37 Meter Entfernung. Rund eine Stunde nach dieser Meisterleistung feiert er seinen nächsten Erfolg. Mit 7:5 gewinnt er das Match und damit seinen ersten WM-Titel und 200 000 Pfund Preisgeld (fast 240 000 Euro).

„Ein Traum ist wahr geworden. Das war ein fantastischer und atemberaubender Moment. Der schönste Tag meines Lebens“, erinnert sich der strahlende Sieger. Ein Jahr später wiederholte Lewis seinen Triumph und kürte sich mit einem 7:3 gegen Andy Hamilton zum bisher jüngsten Doppelweltmeister im Dart. Heute ist der Mann aus der Arbeiterstadt Stoke-on-Trent im Nordosten Englands Millionär und die Nummer zwei der Welt – und wie alle Dartspieler hat auch er einen prägenden Spitznamen verpasst bekommen: the „Jackpot“.

„Deutschland hat sehr gute Dartspieler“

In einer Spielhalle in den USA knackte Lewis am einarmigen Banditen den Jackpot von 75 000 US-Dollar (knapp 58 000 Euro), bekam den Gewinn aber nicht ausbezahlt, weil er damals noch nicht die notwendige Altersgrenze von 21 Jahren überschritten hatte. Ein Vielfaches dieser Summe hat er aber heute durch Preis- und Sponsorengelder wieder eingespielt. Nur eine Person, zu der er ein besonderes Verhältnis pflegt, ist ihm noch um einiges voraus.

Phil Taylor, britischer Volksheld, 15-facher Weltmeister und bis heute der erfolgreichste Dartspieler, nahm Lewis im Alter von 17 Jahren in die Lehre. Und formte ihn zu seinem Ass. Inzwischen ist das freundschaftliche Verhältnis ein wenig abgekühlt, der Konkurrenzkampf zwischen Meister und Lehrling ist groß. Dart ist schließlich ein Sport für Zielbewusste.

Trotzdem tritt Lewis der ebenfalls aus Stoke-on-Trent stammenden Dartgröße mit Respekt und Dankbarkeit gegenüber. „Er ist immer noch der Beste der Welt“, sagt er über seinen Mentor. Dieser gibt das Kompliment zurück: „Wenn wir weiter zusammen trainieren und uns anstacheln, werden wir beide unerreichbar“, lobt Taylor den glühenden Verehrer des englischen Premier-League-Clubs Stoke City. Seine Leidenschaft zum Fußball entdeckte Lewis schon in Kinderjahren. Lange Zeit träumte er davon, Profitorwart zu werden. Eine schwere Schnittverletzung an der Hand mit anschließender Operation beendete diese Träume.

„Die Stimmung ist gut“

Heute hat der 27-Jährige andere, aber nicht weniger ambitionierte Ziele. „Ich will zehnmal Weltmeister werden, es fehlen also noch acht Titel. Dafür arbeite ich hart, ich bin auf dem richtigen Weg“, kündigt Lewis forsch an. Vier bis sechs Stunden trainiert er dafür täglich. Im Vergleich zu seinen Top-Konkurrenten liegt er damit im unteren Mittelfeld. Ein Neundarter gelingt ihm ein- bis zweimal im Monat. „Ich übe vor allem die Würfe auf die Doppelfelder. Im Spiel ist der Druck dort am größten. Wenn ich aber weiß, dass ich das Feld treffen kann, fällt es mir im Spiel leichter“, sagt Lewis in Anlehnung an die Dartweisheit „Triple is funny, double makes the money“ und ergänzt: „Dart ist vor allem eine Sache des Selbstvertrauens und der mentalen Stärke. 90 Prozent spielen sich im Kopf ab.“

Anders als ihre Fußball-Kollegen beim Elfmeterschießen gelten die englischen Dartspieler auf diesem Gebiet als besonders stark. Nicht zuletzt deshalb kommen elf der besten 15 Spieler der Welt aus dem Mutterland des Dart. Das liegt vor allem daran, dass sie sich im Vergleich zu den deutschen Akteuren aufgrund der breiten Sponsorenbasis bereits früh voll auf ihren Sport konzentrieren können und nicht nebenher arbeiten und ihre Reisen aus eigener Tasche bezahlen müssen. Lewis sieht aber auch den deutschen Dartsport im Aufwind: „Deutschland hat sehr gute Dartspieler. Die Stimmung ist gut und die Sportart ist am Wachsen. Vielleicht gibt es bald den ersten deutschen Turniersieger.“

In Sindelfingen wird das eher nicht passieren. „Ich hatte viele Pausen in den letzten Wochen und fühle mich wieder frisch. Ich bin gekommen, um das Turnier zu gewinnen, auch wenn es nicht einfach wird“, sagt Lewis, der in der ersten Runde auf seinen Landsmann Darren Johnson trifft. „Ich bin sehr gerne in Deutschland. Die Leute sind wirklich nett und sorgen für eine fantastische Stimmung“, freut sich Lewis. Vor allem dann, wenn ihm mal wieder ein Neundarter gelingt.