16 Anlagen für Legehennen in Baden-Württemberg bieten Platz für mehr als 30 000 Tiere. Foto: dpa

Bundesumweltministerin Hendricks will die Einspruchmöglichkeiten von Kommunen bei Großprojekten verbessern. Im Südwesten gibt es 16 Geflügelbetriebe mit mehr als 30 000 Tieren.

Berlin/Stuttgart - Durch eine Verschärfung der Bauvorschriften will Bundesbau- und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Errichtung von großen Tierställen erschweren. Die Möglichkeit, riesige Stallanlagen ohne Bebauungsplan der Gemeinde zu bauen, dürfe es nicht mehr geben, erklärte das Ministerium am Mittwoch in Berlin. Außerdem solle ein rechtliches „Schlupfloch“ geschlossen werden, dass die Bürgerbeteiligung bei solchen Projekten aushebele.

Bislang werden Stallprojekte in der Praxis von einem Bebauungsplan freigestellt, wenn die Landwirte über genug Fläche verfügen, um mehr als die Hälfte des benötigten Futters selbst anzubauen. Gemäß des vorliegenden Gesetzentwurfs muss künftig generell ein Bebauungsplan angefertigt werden, der dann auch Voraussetzung für die Genehmigung der Anlage ist. Ausnahmen solle es nur noch für kleine Anlagen geben.

Bei Rindern soll die Höchstgrenze bei 600 Tieren liegen, bei Schweinemastbetrieben bei 1500 und bei Geflügelhöfen bei 15 000. Unterhalb dieser Schwellen sollen die Anlagen genehmigungsrechtlich wie bisher behandelt werden können, also eine Art Privilegierung gegenüber anderen Bauprojekten etwa von Privatleuten, Gewerbe- oder Industriebetrieben genießen. Außerdem will Hendricks mit einer weiteren bislang beliebten Praxis Schluss machen. Großanlagen sollen nicht mehr in viele kleinere Ställe aufgeteilt werden können. Auf diese Weise können Umweltverträglichkeitsprüfungen umgangen werden, die eine Beteiligung der Öffentlichkeit vorsehen. Mit dieser „Salami-Taktik“ müsse Schluss sein, sagte die Ministerin. Allerdings tun sich in der Praxis Bauern auch aus finanziellen Gründen zusammen, um sehr kostenintensive Großprojekte stemmen zu können.

Bürger sollen mehr Mitsprache erhalten

Sie sei „sehr zuversichtlich“, dass sie sich mit Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) verständigen könne, sagte Hendricks anlässlich der nun anstehenden Ressortabstimmungen mit anderen Ministerien. Dann seien die Änderungen rasch möglich. Ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums äußerte sich diesbezüglich zurückhaltend. Nach einer Verschärfung des Baurechts vor drei Jahren müssten zunächst die Auswirkungen geprüft werden, sagte er.

Zustimmung zu den Plänen gab es vonseiten der Umwelt- und Verbraucherschutzverbände. „Wir begrüßen den Vorstoß“, sagte Katrin Wenz vom BUND unserer Zeitung. Ein „Weiter-so in der Tierhaltung“ sei keine Option. Der Trend zu immer größeren Ställen führe zu einer massiven Beeinträchtigung der Umwelt und laufe dem Tierwohl entgegen. Die Initiative sei „ein guter Schritt in die richtige Richtung“, hieß es auch von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL), der Umweltschutzorganisation Euronatur, dem Tierschutzbund und der Erzeugergemeinschaft Neuland.

Deutschland ist eine Mast- und Schlachthochburg

Chris Kühn, baupolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, sagte unserer Zeitung, bei dem Vorstoß von Hendricks handele es sich um eine „öffentlichkeitswirksame Luftnummer im Sommerloch“. Die Forderungen seien im Kern zwar richtig, kämen aber zu spät. Zur Hochphase des Baubooms industrieller Großanlagen wären die Maßnahmen sinnvoll gewesen. Jetzt sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie wieder in der „schwarz-roten Mottenkiste“ verschwänden.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisierte die Pläne dagegen harsch. Hendricks erwecke den Eindruck, dass Landwirte im Außenbereich ohne Vorschriften bauen könnten – das sei „unangemessene Wahlkampfpolemik“, erklärte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Vielmehr hätten verschärfte Vorschriften bereits zu einem „drastischen Rückgang“ von Stallneubauten geführt. Gerade kleine und mittlere Familienbetriebe litten unter der langwierigen Bürokratie. Wenn der Stallbau weiter erschwert würde, besiegele dies „das Ende der bäuerlichen Tierhaltung in Deutschland“.

Deutschland hat sich in den letzten 15 Jahren nach Einschätzung von Fachleuten zu einer der Mast- und Schlachthochburgen weltweit entwickelt. Befördert wurde dies durch technische Aufrüstung in Schlachthöfen, aber auch durch eine jahrelange Billiglohnpraxis in vielen verarbeitenden Betrieben. Nach Daten des BUND mussten in den letzten 15 Jahren bis zu 80 Prozent der Betriebe beziehungsweise Bauernhöfe die Tierhaltung aufgeben, während gleichzeitig bundesweit bis zu 50 Prozent mehr Fleisch produziert wurde.

Hochburg der Fleischindustrie ist Nord- und Ostdeutschland, aber auch im Südwesten gibt es große Ställe. 16 Anlagen für Legehennen in Baden-Württemberg bieten Platz für mehr als 30 000 Tiere. Die 1,79 Millionen Mastschweine im Land leben in insgesamt 2400 Höfen. Die Tierhaltung ballt sich an den östlichen Rändern des Bundeslandes, sagte Gottfried May-Stürmer vom BUND im Südwesten unserer Zeitung. „Massentierhaltung“ sei punktuell auch hierzulande ein Problem.