Im Herbst 2015 demonstrierten in Berlin bis zu 250000 Menschen gegen TTIP und Ceta. Dieses Kunststück wollen die Organisatoren im September wiederholen. Foto: dpa

Ein Protestbündnis will auf bundesweiten Demonstrationen die SPD in Sachen Ceta endgültig auf Kurs bringen, gegen den EU-Freihandel mit Kanada. Und damit gegen SPD-Chef Gabriel. Noch aber hat Gabriel zwei mächtige Verbündete.

Berlin - In der SPD wächst der Widerstand gegen das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta), für das Wirtschaftsminister und Parteichef Sigmar Gabriel energisch wirbt. Stimmen die Delegierten eines Parteikonvents am 19. September gegen das ausverhandelte Abkommen, würde das die Autorität des ohnehin schon angeschlagenen Vizekanzlers weiter schwächen. Ein breites Protestbündnis, getragen von Gewerkschaften, Entwicklungshilfegruppen, Umwelt, Sozial- und Kulturverbänden will jetzt dem Abkommen und damit möglicherweise auch Gabriel den entscheidenden Schlag versetzen.

 

Zwei Tage vor dem SPD-Konvent sollen in sieben Städten zeitgleich nach Angaben der Protestorganisation Campact Demonstrationen gegen Ceta stattfinden, auch in Stuttgart. Stoßrichtung sei vor allem die SPD, sagte Campact-Geschäftsführer, Christoph Bautz. Man setze darauf, dass die Kundgebungen, zu denen er am 17. September mehr als 250 000 Menschen erwarte, die SPD-Delegierten ermutigten, sich gegen Ceta auszusprechen. Aber auch die Grünen seien Adressat des Protests. Denn über den Bundesrat könnten auch die Grünen durch ihre Regierungsbeteiligungen Ceta stoppen. Ein Grund, auch in Stuttgart zu demonstrieren.

Für Gabriel wird es eng

Vor allem für Gabriel wird es damit eng. Die SPD hat vor zwei Jahren im Schulterschluss mit dem DGB beschlossen, sowohl das EU-Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) als auch Ceta abzulehnen, wenn „rote Linien“ überschritten würden. Dazu wurden unter anderem so genannte Schiedsgerichtshöfe gezählt, die es internationalen Konzernen ermöglichen würden, demokratisch beschlossene Regelungen auszuhebeln. Für den DGB, Gabriels wichtigstem Verbündeten, sind diese roten Linien überschritten, sowohl bei TTIP, als auch bei Ceta. Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske sprach bei Ceta zwar von Verbesserungen, aber die rechtliche Besserstellung international agierender US-Konzerne sei nicht ausgeräumt.

Gabriel hatte zuletzt Signale ausgesendet, TTIP, das sich in einem viel früheren Verhandlungsstadium als Ceta befindet, fallen zu lassen. „Besser kein Abkommen als ein schlechtes“, sagte er. Bei Ceta hofft er hingegen auf die Zustimmung seiner Partei, auch deshalb, weil das Abkommen unmittelbar nach dem Konvent beim EU-Handelsministertreffen in Bratislava bereits zur Abstimmung steht und er bei einem Nein der SPD als Vizekanzler gegen seinen Willen gegen den Kurs der eigenen Regierung stimmen müsste.

Die Parteilinke setzt sich ab

Die Notlage ihres Vorsitzenden stört die SPD nur bedingt. Inzwischen haben sich die Landesverbände Bayern und Bremen gegen Ceta ausgesprochen, die Jusos sowieso. Auch die SPD Hannover, einer der größten SPD-Unterbezirke, lehnt Ceta ab. Vorsitzender dort ist Matthias Miersch, der auch die Parlamentarische Linke (PL) anführt, den größten Flügel der Bundestagsfraktion. Vor wenigen Tagen hat Miersch ein Papier veröffentlicht, mit dem er sich auch persönlich festlegt. „Als Fazit kann festgehalten werden, dass die von Parteitag und Parteikonvent gezogenen roten Linien in zentralen Punkten im Ceta-Vertragsentwurf nicht eingehalten werden“, so Miersch. Und weiter: „Aus meiner Sicht kann kein sozialdemokratisches Mitglied eines Parlaments diesem Abkommen in der vorliegenden Fassung zustimmen“. Auch wenn dies kein offizielles PL-Papier ist, muss Gabriel fürchten, dass diese Haltung innerhalb der Parteilinken konsensfähig ist.

Allerdings kann Gabriel durchaus noch auf mächtige Unterstützer zählen, zumal er mit seiner Distanzierung von TTIP bereits Zugeständnisse machte. Der wichtigste Landesverband, die NRW-SPD, hat zwar jüngst TTIP für tot erklärt, zugleich jedoch wissen lassen, dass für Ceta „gute Argumente“ sprächen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft stützt Gabriel auch deshalb, weil sie Unruhe im aufkommenden NRW-Wahlkampf um jeden Preis verhindern will. Es ist außerdem gewiss kein Zufall, dass unmittelbar nach Veröffentlichung des Miersch-Papiers sich EU-Parlamentspräsident Martin Schulz vehement für Ceta aussprach. Schulz gilt vielen Parteilinken als die akzeptabelste Alternative zu Gabriel, wenn es um die Kanzlerkandidatur geht. Das Signal, das Schulz deshalb ausgesendet hat, lautet: Mit einem Nein zu Ceta räumt ihr nicht nur Gabriel ab, sondern auch mich.