Die Masernimpfung ist Pflicht und wird in Kitas und Schulen überprüft. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die Leiter von Kindertageseinrichtungen und Schulen müssen wegen der Masernimpflicht nun Personal und Kinder kontrollieren. Kritik kommt von der Waldorfschule auf der Uhlandshöhe.

Stuttgart - Die seit 1. März geltende Impfpflicht gegen Masern muss auch von privaten Kita- und Schulträgern überprüft und gegebenenfalls ans Gesundheitsamt gemeldet werden. Die Waldorfschule auf der Uhlandshöhe hält Kritik nicht zurück: „Wir halten es nicht für die Aufgabe einer Schule, zu prüfen, ob die Eltern der Impfpflicht nachgekommen sind und sie, wenn nicht, beim Gesundheitsamt melden zu müssen“, sagt Christoph Kühl, Mitglied der Schulführung und Mathematiklehrer. Die Schule hält dies insbesondere beim Erstgespräch mit Eltern für „kontraproduktiv“.

Knapp 940 Schüler besuchen die Schule auf der Uhlandshöhe, rund 100 Kinder die Waldorfkita. Da die Anthroposophie eine kritische Haltung zum Impfen von Kindern pflegt, könnte der Anteil derer, die nicht geimpft sind, hoch sein. „Wir haben noch keine Bestandsaufnahme gemacht, auch nicht bei unseren 95 Lehrkräften und den anderen Mitarbeitern“, so Kühl.

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Im Epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts aus dem vergangenen Jahr geht hervor, dass 97,1 Prozent der Schulanfänger die erste Masernimpfung bekommen haben, aber nur 93 Prozent auch das zweite Mal geimpft worden sind. Erst die zweite Impfung gibt kompletten Schutz. Laut Ständiger Impfkommission (Stiko) lassen sich Masernausbrüche aber erst verhindern, wenn 95 Prozent der Bevölkerung immun sind. Allerdings ist zu erwarten, dass die Impflücke, also die zweite fehlende Masernimpfung, insbesondere in Kitas und bei der Einschulungsuntersuchung der Kinder erkannt wird.

Im Problemfall übernimmt das Gesundheitsamt

„Wir haben an alle unsere städtischen Kitas eine Information über die neue Gesetzesregelung herausgegeben“, sagt Beate Streicher-Kieltsch vom Jugendamt der Stadt Stuttgart. Kita-Leiterinnen müssten nun sowohl bei den bereits aufgenommenen Kindern als auch bei Erzieherinnen die Vollständigkeit des Impfschutzes kontrollieren.

Würden ausländische Impfpässe vorgelegt oder verweigerten sich Angestellte der Impfung oder Eltern die Impfung ihrer Kinder, übernehme das Gesundheitsamt den Fall – „man kann von den Einrichtungsleiterinnen ja nicht verlangen, dass die die Gesundheitsberatung übernehmen“, so Streicher-Kieltsch.

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Während für die Durchimpfung aller bereits anwesenden Kinder, Schüler, Erzieherinnen und Beschäftigten Zeit bis zum 31. Juli 2021 bleibt, gilt das Gesetz für neu Ankommende schon seit Montag. Noch sei nicht geklärt, wie die Eltern neuer Kinder informiert werden, „vermutlich zentral über das zentrale Platzmanagement“, heißt es von Seiten des Jugendamts. Sicher aber sei: Ohne Nachweis über eine zweite Impfung wird das Kind nicht aufgenommen.

Hochrechnung noch nicht möglich

Die Schulen hingegen dürfen Schüler nicht aussperren. Eine Handreichung, wie Schulleiter vorzugehen haben, sei bereits an alle Schulen im Land verschickt worden. Darüber hinaus hätten die Rektoren „ein Muster zur Dokumentation des Masernschutzes, ein Merkblatt des Bundesgesundheitsministeriums, ein Musteranschreiben an die Eltern und an das Gesundheitsamt sowie die Anschriften der Gesundheitsämter erhalten“, teilte Kultusministerin Susanne Eisenmann kürzlich mit. Gibt es nach gebotener Frist immer noch eine Impflücke bei einem der rund 80 000 Schüler in Stuttgart, ist wieder das Gesundheitsamt gefragt.

Beim Gesundheitsamt ist noch nicht bekannt, wie viele Lehrer vorstellig werden. „Eine seriöse Hochrechnung ist uns derzeit nicht möglich, da bereits Beschäftigte noch über ein Jahr Zeit haben, fehlende Impfungen nachzuholen oder entsprechende Bescheinigungen vorzulegen“, lautet die Antwort. Eine Mailadresse für Meldungen aus Kitas und Schulen sei eingerichtet.

Amt kann auch Tätigkeitsverbote aussprechen

Laut Bundesgesetz muss das Gesundheitsamt die Erfüllung der Impfpflicht sanktionieren. Als angemessene Frist zwischen Aufforderung und Impfung empfiehlt das Bundesgesundheitsministerium „mindestens zehn Tage und etwa bis zu drei Monate“. Wenn dann immer noch kein Nachweis geführt werden kann, ist es dem Gesundheitsamt überlassen, Geldbußen oder Zwangsgelder festzusetzen oder gar „Tätigkeits- oder Betretensverbote auszusprechen“, teilt das Kultusministerium mit.

Sanktionen waren bisher schon im Zusammenhang mit Einschulungsuntersuchungen möglich. Diese ist gesetzlich verpflichtend. Wenn Eltern sie trotz mehrmaliger Aufforderung versäumen, kann dies mit einem Bußgeld geahndet werden. „In der Praxis passiert dies extrem selten, da reagieren praktisch alle auf die Mahnung“, teilt die Pressestelle der Stadt mit.