Spritze mit Ampulle – Wie sicher ist Impfen? Foto: HamsterMan - Fotolia

In Deutschland grassieren seit Monaten Grippe und Masern. In Westafrika reißt die Ebola-Epidemie nicht ab. Abgesehen vom menschlichen Leid – was kosten Infektionskrankheiten und Seuchen eigentlich eine Gesellschaft? Und: Ist Impfen immer sinnvoll?

Mannheim - Masern, Spanische Grippe, Schweinepest, Sars, Ebola, Pocken und Kinderlähmung – ansteckende Krankheiten sind einfach nicht totzukriegen. Seit Menschengedenken breiten sie sich immer wieder aus. Doch während die Krankheitserreger selbst in den allermeisten Fällen penibel untersucht sind, tut sich die Gesundheitswirtschaft schwer, die Folgekosten von Ausbrüchen exakt zu beziffern.

„Seuchen und Infektionskrankheiten können generell zu enormen gesamtwirtschaftlichen Kosten und teilweise sogar zu einer Senkung der Wirtschaftsleistung eines Landes führen“, sagt Bernhard Ultsch, Gesundheitsökonom am Berliner Robert-Koch- Institut (RKI). Die Zurückhaltung der Wissenschaft, genaue Zahlen zu nennen, hat einen Grund: Die Folgen von Epidemien sind zu komplex. Den Ausfall der Arbeitszeit und die Behandlungskosten von Patienten aufzuaddieren ist zwar ziemlich einfach, greift aber auch fast immer zu kurz. Was ist mit Nachwirkungen, die erst Jahre später sichtbar werden? Was mit der abschreckenden psychologischen Wirkung eines Seuchen-Ausbruchs auf den Wirtschaftsbetrieb?

Untersuchungen, wie teuer Seuchen eine Gesellschaft kommen, beschränken sich also meist auf Teilbereiche. Schon diese Zahlen haben es allerdings in sich. Infolge des Ausbruchs der Lungenkrankheit Sars in den Jahren 2002 und 2003 brach der internationale Flugverkehr drastisch ein. Weltweit, so Schätzungen, führte der Ausbruch zu einem Einbruch des Wachstums von bis zu 1,4 Prozent – maßgeblich aufgrund des Versiegens der internationalen Verkehrsströme. Und der Ausbruch von Ebola vergangenes Jahr in Westafrika könnte nach Schätzungen der Weltbank fast 30 Milliarden Euro kosten – mögliche Hungersnöte aufgrund des Niedergangs der Landwirtschaft sind allerdings nicht eingerechnet.

Selbst in hoch entwickelten Industriestaaten wie Deutschland mit ausgefeiltem Statistikwesen gibt es allenfalls Anhaltspunkte, die auf die volkswirtschaftliche Wirkung von Seuchen und Infektionskrankheiten schließen lassen.

Realistisch klingen die Kosten von 2,2 Milliarden Euro, die das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) für die diesjährige Grippewelle prognostiziert. Das Bruttoinlandsprodukt, so die Schätzung, könnte im ersten Quartal um 0,3 Prozentpunkte zurückgegangen sein.

Statistisch belegt sind die finanziellen Belastungen dagegen bei Masern. Die Erkrankung eines Patienten kostet das deutsche Gesundheitssystem rund 520 Euro. Diese Summe errechneten Wissenschaftler im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO nach einem der bisher drastischsten Masernausbrüche im Jahr 2006 in Duisburg. Damals starben zwei Kinder an der Krankheit. 95 Patienten mussten in Summe 775 Tage im Krankenhaus behandelt werden. Aktuell grassiert die Krankheit wieder in ganz Deutschland. Seit Oktober 2014 sind beispielsweise in Berlin mehr als 1100 Menschen an Masern erkrankt, darunter viele Erwachsene. Ein Kleinkind starb an den Folgen der Infektion. Und noch immer gibt es täglich neue Krankheitsfälle. Auch in Baden-Württemberg steigen die Infektionen.

Hierzulande entzündet sich die Debatte vor allem an einer möglichen Impfpflicht für die Krankheit. Gegner argumentieren fast ausschließlich mit den hohen Risiken einer Masernimpfung, die dem Schutz vor der Krankheit entgegenstünden. Die meisten Experten, etwa die Seuchenbekämpfer des RKI, halten den Impfschutz für sicher und nebenbei für die beste Möglichkeit, eine Ausbreitung in der Bevölkerung zu verhindern.

Ob eine Impfung volkswirtschaftlichen Sinn ergibt, ist dagegen eine andere Sache. Aus einer globalen Perspektive sei eine Masernimpfung nur „tendenziell“ kostensparend, sagt Ökonom Ultsch vorsichtig.

Die Scheu vor der Festlegung hängt sicher mit der unvollständigen Datenlage in Deutschland zusammen, vielleicht aber auch mit der brisanten politischen Debatte, die seit Jahren um die Masernimpfung wogt. Konkreter werden Gesundheitsökonomen bei anderen Krankheiten. Sich gegen Rota-Viren – eine Durchfallerkrankung – impfen zu lassen, werde aus gesundheitlichen Gründen zwar empfohlen, mache aber rein kostenmäßig keinen Sinn. Die Verhinderung eines Falls durch Impfung kostet 184 Euro, sagt Ultsch. „Das ist nicht kostensparend“, sagt er. Ähnlich verhält es sich bei Herpes zoster, vulgo: Gürtelrose, die in Deutschland speziell bei alten Menschen jährlich Kosten von 182 Millionen Euro verursacht. Ökonomisch betrachtet ist dieser Schaden allerdings immer noch nicht hoch genug, um Impfungen zu rechtfertigen. Um Geld einzusparen, müssten die Impfdosen nach Berechnungen des RKI zunächst einmal um rund 80 Prozent billiger werden.

Allerdings wissen auch die Ökonomen, dass man im Gesundheitswesen so nicht argumentieren kann. Gesundheit ist mehr als reine Kostenrechnung. Ultsch sagt: „Impfungen sparen nicht immer Kosten ein, aber sie senken das Leid in der Bevölkerung“. Das sei ja ein entscheidender Wert an sich.