In der Maschinenfabrik Esslingen schlug das industrielle Herz Württembergs. Foto: Peter Stotz

Die Maschinenfabrik Esslingen ist Zeitweise Württembergs größtes Industrieunternehmen. In 120 Jahren sind dort mehr als 5000 Lokomotiven gebaut worden.

Die industrielle Entwicklung Württembergs ist eng mit der Maschinenfabrik Esslingen (ME) verknüpft. In den 120 Jahren ihres Bestehens zwischen 1847 und 1966 hat die ME mehr als 5000 Lokomotiven und etwa 25 000 Eisenbahnwaggons hergestellt. Somit erlangte die ME besondere Bedeutung für die Entwicklung der Stadt als Industriestandort.

1845 dampft der erste Zug von Cannstatt nach Untertürkheim

Das Königreich Württemberg, in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kaum mehr als ein armer, agrarisch strukturierter Feudalstaat, müht sich ab dem Jahr 1840 um einen Anschluss an die industrielle Entwicklung in Europa und fördert den Aufbau eines Netzes moderner Verkehrswege, insbesondere der Eisenbahn. Im Frühjahr 1845 dampft der erste Zug von Cannstatt nach Untertürkheim, ein halbes Jahr später wird Esslingen angebunden.

Mit dem Ausbau des Schienennetzes soll auch eine eigenständige Eisenbahnindustrie entstehen. Die Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen (KWStE) beauftragen den Karlsruher Ingenieur Emil Kessler mit dem Aufbau einer Fabrik zur Produktion von Lokomotiven und Waggons.

Der Magistrat der damals etwa 12 500 Einwohner zählenden Stadt ist an einer industriellen Entwicklung Esslingens interessiert und stellt dafür ein Gelände am Neckarufer unterhalb der Pliensaubrücke zur Verfügung. Im Mai 1846 wird der Grundstein des neuen Werks gelegt, bereits im Oktober 1847 wird die erste Lokomotive ausgeliefert. Die ME entwickelt neuartige Techniken im Lokomotivbau und eigenständige Baureihen. Im Jahr 1870 verlässt die 1000. Lokomotive das Werk, die ME beliefert neben den KWStE Kunden in ganz Europa, ab 1888 auch in Indonesien, Südafrika, Japan und Brasilien.

Um die Jahrhundertwende ist die ME das größte Industrieunternehmen in Württemberg. Entsprechend ist die Einwohnerzahl Esslingens auf etwa 27 000 gestiegen, die Stadt prosperiert. Die Industriearbeitsplätze ziehen weitere Menschen an, versprechen sie doch relativen Wohlstand.

1908 wird ein neues Werk in Mettingen gebaut

Die Fabrik nahe des Bahnhofs wird zu klein, 1908 wird in Mettingen ein neues Werk gebaut, ab 1913 nur noch dort produziert. Neben Dampflokomotiven und Personenzug- und Güterwaggons baut die ME Zahnradbahnen für den Einsatz im Gebirge, Straßenbahnen, unter anderem für Esslingen und Stuttgart, die Standseilbahn Stuttgart, Triebwagen, Dieselloks, Straßenwalzen, Generatoren, Brücken und Stahlhochbauten. Zwischen 1851 und 1858 ist die ME auch im Schiffsbau aktiv. Von 1926 bis 1963 stellt die ME zudem elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge her. Gabelstapler und Gepäckkarren werden gebaut, die Paketpost erhält einen Kleinlaster – zwar mit Elektromotor, aber einem Kohleofen als Heizung.

Allerdings kann die ME ihre Stellung als bedeutendes Industrieunternehmen nicht halten. Laut Alexander Weber, Autor eines mehrbändigen Werks über die Fahrzeuge der ME, hat die Firma zwar „einige wegweisende Konstruktionen entwickelt“ Letztlich jedoch fehlt die Durchsetzungskraft gegen die preußische Konkurrenz. „Die neu gegründete Reichsbahn hat klar die großen Hersteller wie Borsig, Krupp, Henschel bevorzugt“, erklärt Weber. Die ME sei daher „sehr schnell in Schieflage geraten“. Es folgt die Übernahme durch den Konzern Gute Hoffnungshütte, der jedoch wenig Interesse an der notwendigen Modernisierung der ME zeigt.

Das Ende zeichnet sich ab, am 21. Oktober 1966 rollt eine für Indonesien gebaute Zahnrad-Dampflokomotive als letzte Maschine aus der Halle. Das Werk wird geschlossen. Die Daimler-Benz AG übernimmt die Gebäude und Anlagen und beschäftigt die Arbeitnehmer der ME in ihrer Produktion weiter.

Vieles aus der 120-jährigen Produktionsgeschichte ist verschwunden. Einige Organisationen kümmern sich um den Erhalt von Lokomotiven und Waggons, in einigen Museen sind ME-Fahrzeuge zu betrachten. In Esslingen selbst erinnert nur wenig an das Unternehmen. Der im Jahr 2003 gegründete Förderverein zur Erhaltung von Lokomotiven der Maschinenfabrik Esslingen will allerdings das historische Erbe bewahren. Vereinsmitglieder restaurieren eine ME-Lok und kümmern sich um die Aufarbeitung der Geschichte der ME und ihrer Rolle für die Stadtentwicklung.

Industriegeschichte und Gegenwart

Literatur
Der Heilbronner Autor und Technikjournalist Alexander Weber hat im Jahr 2016 die Katalogisierung der Fotobestände der ME beim Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg übernommen. Daraus resultiert das sechsbändige Werk „Fotoalbum der Maschinenfabrik Esslingen“ mit einer ausführlichen Darstellung sämtlicher Fahrzeuge der ME (Verlag Podszun-Motorbücher, im Buchhandel erhältlich).

Förderverein
Im Jahr 2003 hat sich der Förderverein zur Erhaltung von Lokomotiven der Maschinenfabrik Esslingen gegründet. Mitglieder restaurierten die ME-Lok 4092, kümmern sich um Archivbestände und geben die Zeitschrift „Esslinger Dampfdruck“ heraus; Kontakt: FVME e.V., Hans-Thomas Schäfer, E-Mail me-vorstand@t-online.de, www.fvme.de.