Hightech beim Maschinenbauer Dürr Foto: Dürr/Dürr

Der Maschinenbauer Dürr aus Bietigheim vermeldet ein starkes Umsatzwachstum. Der Konzern blickt zuversichtlich auf 2023 – doch zwei Entwicklungen trüben das Bild.

Trotz Lieferkettenproblemen, hohen Energiepreisen und dem UkraineKrieg hat der Dürr-Konzern seinen Umsatz im vergangenen Jahr um 22 Prozent auf rund 4,3 Milliarden Euro gesteigert. Dürr profitiert dabei von den politischen Vorgaben, die unter anderem die Automobilindustrie zwingen, in den kommenden Jahren deutlich weniger CO2 zu emittieren: Für einen deutschen Autohersteller baut Dürr momentan eine beinahe CO2- freie Fabrik.

In diesem Feld sieht Jochen Weyrauch, der Vorstandsvorsitzende von Dürr, auch in den nächsten Jahren Wachstumschancen für sein Unternehmen: Weltweit gebe es rund 700 große Lackieranlagen der Autoindustrie – knapp zwei Drittel davon seien älter als 15 bis 20 Jahre. Dürr will mit seinen Lackierereien, die Energie und Wasser besonders effizient einsetzten, diese Marktchancen nutzen. „Das wird unser Geschäft prägen“, sagt Jochen Weyrauch.

Was Autolack mit dem Klimawandel zu tun hat

Die Lackiererei ist ein Bereich der Automobilproduktion, auf den es bei der Dekarbonisierung – also der Einsparung von CO2 – besonders ankommt. Mehr als 40 Prozent der Energie, die ein Autohersteller in seinen Werken benötigt, entfallen durchschnittlich auf den Lackierprozess. Der Anlagen- und Maschinenbauer mit Stammsitz in Bietigheim hat seine Strategie darauf ausgerichtet, mit Nachhaltigkeitsthemen zu wachsen. Dies gilt auch für die Konzerntochter Homag, die Holzhäuser produziert. In sogenannten Gigafactories werden komplette Wohnanlagen gefertigt.

Angesichts der Kosten und der angespannten Personalsituation auf dem Bau ist dies für Dürr ein Geschäftsfeld, dessen Anteil am Gesamtumsatz künftig deutlich wachsen soll. Dürr gibt als Ziel aus, mittelfristig damit eine halbe Milliarde Euro an Umsatz zu erwirtschaften.

Wachstum vor allem in Nordamerika

Dabei profitiert Dürr auf dem Markt von einem Auftragseingang in Rekordhöhe: Die Bestellungen übertrafen 2022 erstmals die Marke von fünf Milliarden Euro – vor allem das Geschäft mit der Automobilindustrie wuchs stark. Hier liefert Dürr im Zuge des Wandels hin zur Elektromobilität unter anderem Anlagen zur Elektrodenfertigung.

Mit Blick auf die einzelnen regionalen Marktentwicklungen sieht Jochen Weyrauch einen deutlichen Trend: „Nordamerika löst China derzeit als Wachstumstreiber ab, und das ist noch nicht das Ergebnis des Inflation Reduction Acts. Dessen Auswirkungen werden wir erst noch sehen.“ Die Subventionen für Unternehmen, die der amerikanische Präsident Joe Biden auf den Weg gebracht hat, sorgen nach Einschätzung des Dürr-Chefs dafür, dass viele Unternehmen „fast schon gezwungen sind, in Nordamerika zu investieren. Als Europäer macht mich das besorgt.“

So viele Mitarbeiter arbeiten für Dürr

Unterdessen ist Dürr weiter stark in Asien engagiert. Im Schlüsselmarkt China ist Dürr schon seit Jahrzehnten aktiv, „wir sind dort wie ein lokaler Spieler aufgestellt“, so Weyrauch. „Und aktuell entwickelt sich China als Markt für uns weiter gut.“ Im vergangenen Halbjahr habe die Wirtschaft von der weniger restriktiven Coronapolitik in China profitiert. Dementsprechend stiegen dort wieder die Umsätze.

Das wirtschaftliche Wachstum beim Anlagen- und Maschinenbauer wirkt sich auch auf die Mitarbeiterzahl des Unternehmens aus: Ende des vergangenen Jahres arbeiteten weltweit rund 18 500 Menschen bei Dürr, was einem Wachstum von rund vier Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. In Deutschland sind 8853 Menschen bei Dürr beschäftigt. Die Personalentwicklung ist dabei ein Thema, welches das Management des Unternehmens „stark umtreibt“. Auch angesichts der demografischen Entwicklung sei es absehbar, dass Dürr in bestimmten regionalen Märkten nicht auf Dauer seinen Bedarf an hochqualifizierten Mitarbeitern abdecken könne. Zu diesen Märkten zählt auch Deutschland – in der Region Stuttgart muss sich Dürr beispielsweise gegen Hightechkonzerne wie Bosch oder Trumpf oder gegen Unternehmen aus der Automobilindustrie als attraktiver Arbeitgeber behaupten.

Konkurrenz um Fachkräfte in der Region Stuttgart

Besonders hart fällt die Konkurrenz im Bereich der IT-Fachkräfte aus. „Wir beschäftigen mittlerweile fast tausend Software-Entwickler im Unternehmen“, sagt Jochen Weyrauch. Es sei absehbar, dass sich das Unternehmen künftig Fachkräfte auch an Standorten außerhalb Deutschlands suchen müsse, wenn diese im Inland nicht mehr zu bekommen seien. Die konkrete Folge: Wichtige Investitionen – auch in Zukunftstechnologien – könnten angesichts des Fachkräftemangels ins Ausland abwandern.

Zahlen zur Bilanz

Ergebnis
Dürr erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Überschuss nach Steuern in Höhe von 134 Millionen Euro. Dies entspricht einem Anstieg von 58 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Umsatzplus des Konzerns verteilt sich zwar auf alle Unternehmensbereiche – am stärksten fiel der Zuwachs jedoch beim Bau von Lackierereien und Montagelinien für die Automobilindustrie aus. Hier lag das Plus bei mehr als 30 Prozent.

Ausblick
Dürr erwartet auch für das angelaufene Geschäftsjahr ein weiteres Wachstum beim Umsatz. Das Unternehmen rechnet Ende 2023 mit einem Umsatz in Höhe von 4,5 bis 4,8 Milliarden Euro. Das Management ist optimistisch, auch weil die Lieferkettenprobleme das Geschäft bei weitem nicht mehr so stark belasteten. Steigern will sich Dürr auch beim Ergebnis – künftig gehe es nicht mehr um Wachstum um jeden Preis, sondern vor allem um Profitabilität.