Die Tiere von Landwirt Sickinger haben ihren festen Platz auf der Weide. Foto: Simon Granville

Für viele gehört das Geflügel traditionell an Martini oder Weihnachten als Braten auf den Tisch. Die Preise klettern dieses Jahr vielerorts. Aber es gibt auch Ausnahmen. Ein Blick nach Gerlingen.

Für die einen gehört sie traditionell zu Martini, für die anderen zu Weihnachten – und wieder andere staunen über die Gänseherde im Ort, deren Geschnatter bis Weihnachten bisweilen weithin zu hören ist. Das jedenfalls ist seit Jahrzehnten die Situation in Gerlingen. Auf dem Grundhof, dem Aussiedlerhof von Rudolf und Martin Sickinger, haben die Gänse ihr Domizil tagsüber auf der Weide. Sie machen einen Wachhund überflüssig: Gänse gelten als ebenso sensibel wie wachsam.

Nur auf Vorbestellung

Das Hauptgeschäft von Vater und Sohn ist die Milch. Doch neben dem Milchvieh gehört die Aufmerksamkeit jedes Jahr eben auch den Gänsen. Was die Eltern begonnen hatten, ist inzwischen auf die nächste Generation übergegangen. 180 Küken hat Martin Sickinger in diesem Jahr aufgezogen. Jetzt, zum Martinstag, dezimiert sich der Bestand erstmals sichtlich; abermals wird das dann zu Weihnachten der Fall sein.

Geschlachtet wird immer kurz zuvor, die Ware wird frisch an den Kunden übergeben, nicht tiefgefroren. „Dann könnte man sie ja gleich im Laden kaufen“, sagt Sickinger. Er wertet deren Angebot nicht. Aber er sagt eben auch: „Direkt vom Bauern, regional und bio – toppen kann man das nicht mehr.“ Selbst das Futter, ein Hafer-Erbsengemisch, ist eigenproduziert. Er sagt das alles aus Überzeugung, Werbung für die Martinsgans muss er nicht machen: Die Gänse von Sickingers Grundhof gibt es nur auf Vorbestellung.

An Weihnachten wird das Kilo einen Euro teurer

Der Preis ist in diesem Jahr an Martini noch gleich, zu Weihnachten wird der Kilopreis im Vergleich zum Vorjahr dann um einen Euro steigen, kündigt Martin Sickinger an. Er begründet das vor allem mit der Arbeit, die sich dann verdichtet. Zu Weihnachten ist die Nachfrage der Kunden am größten. Sickingers haben viele Stammkunden – sie kämen hauptsächlich aus Gerlingen, aber auch aus Ditzingen, Leonberg und Stuttgart, sagt Martin Sickinger.

Dass er die Preise für die vier bis viereinhalb Kilo schweren Gänse zu Martini gar nicht und zu Weihnachten moderat erhöht, bringt ihn in eine Sonderstellung gegenüber den anderen Gänsebauern. Er ist sich dessen wohl bewusst. Doch weder sei es sein Haupterwerb, noch habe er Angestellte, begründet Sickinger sein Vorgehen. Es sei eben ein Nebenerwerb für den Familienbetrieb.

Zugvögel sind ein Risiko für die Geflügelzüchter

Hohe Preise für eingekauftes Futter, Gas und Strom sowie steigende Löhne machen der gesamten Agrarwirtschaft zu schaffen – und es schlägt sich weithin auch auf den Preis für Gänse nieder – was die Preise für das Gericht auch im Restaurant nach oben treibt. Zudem hatten in den vergangenen Monaten dem Bundesverband Bäuerlicher Gänsehaltung zufolge Landwirte in Deutschland, Polen und Ungarn wegen der Vogelgrippe einen erheblichen Teil ihrer Bestände verloren.

Die Geflügelpest, die im Zusammenhang mit dem Vogelzug steht, tritt vor allem im Winterhalbjahr auf. Auf den Zusammenhang zwischen Vogelgrippe und Zugvögeln verweist auch Sickinger, wenn er sagt, dass sein Hof davon bisher zum Glück verschont geblieben sei, auch dank der Tatsache, dass es hier wenige Zugvögel gebe. Laut dem Präsidenten des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft bedroht „ein Seuchenzug von bislang nicht gekanntem Ausmaß“ die Existenz der heimischen Geflügelhalter. Noch vor Beginn der Vogelzugsaison habe es über den Sommer hinweg ungewöhnlich viele Ausbrüche der Geflügelpest gegeben.