Freut sich auf Experimente: der neue Citypfarrer Martin Wendte. Foto: factum/Granville

„Ich stamme aus einer kirchenfernen Familie“, sagt Martin Wendte. Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, Pfarrer zu werden. Am Sonntag wird der 43-Jährige als neuer City- und Friedenskirchenpfarrer eingesetzt.

Ludwigsburg - Es ist nicht so, dass Martin Wendte die Theologie in die Wiege gelegt worden wäre. „Ich stamme aus einer kirchenfernen Familie“, sagt der 43-jährige Bremer. Um Christ zu werden, musste er erst einmal den Kontinent wechseln. Erste ernsthafte Erfahrungen mit einer Kirchengemeinde hat er in einem kleinen Dorf in Kanada gemacht, wo er nach dem Abitur ein freiwilliges Soziales Jahr absolvierte. „Das eröffnete mir eine völlig neue Perspektive“, sagt er, „das war gelebte Rechtfertigungslehre.“ Ein Urerlebnis, das ihn später in den Pfarrdienst führte, den er von April an in Ludwigsburg versehen wird. Und zwar an der Friedenskirche.

Die Stelle des Citypfarrers ist keine Pfarrstelle wie jede andere. Denn nur die Hälfte der Tätigkeit ist an die Friedenskirchengemeinde gebunden, während die andere Hälfte viel Raum für Experimente bietet. Eröffnet hat dieses Experimentierfeld Wendtes Vorgänger Georg Schützler, indem er zum Beispiel vor 20 Jahren die Nachteulengottesdienste eingeführt hat. Eine Mischung aus Meditation, Liturgie und Gesang, in die die Gläubigen zu Hunderten strömen. Und das, obwohl diese Gottesdienste nicht selten zwei bis drei Stunden lang dauern.

Akademische Laufbahn

Diese Gottesdienstreihe will Wendte auf jeden Fall fortsetzen. Außerdem aber hat er vor, mit möglichst vielen Angeboten aus dem Kirchengebäude herauszugehen. Die Formel, man müsse dahin gehen, wo die Menschen sind, führten viele im Mund, sagt er. Aber die Umsetzung sei schwierig. Nicht nur, weil man sich selbst öffnen müsse, sondern auch weil das viele Irritationen auslöse. Dennoch gedenkt er, etwa in Supermärkte zu gehen, um dort kleine Andachten anzubieten. Das Thema hieße dann etwa Genuss. „Ich kann mir auch vorstellen, etwas zum Thema Sicherheit zu machen und damit zur Feuerwehr zu gehen“, sagt Wendte.

Wer nur auf die schulischen und beruflichen Stationen des neuen Citypfarrers schaut, wird ihn für einen Intellektuellen halten. Wendte hat in Heidelberg, Berlin, London und Göttingen Theologie studiert. Danach hat er promoviert, war Assistent von Christoph Schwöbel an der Universität Tübingen und hat währenddessen seine Habilitation geschrieben. Danach riet ihm Professor Schwöbel: „Egal, was du später einmal machst, du musst es wenigstens einmal mit der Kirche probiert haben.“ Also entschied er sich für die Pfarrersausbildung und absolvierte ein Vikariat – um danach selbst Vikare auszubilden. Drei Jahre lang lehrte er im evangelischen Studienzentrum von Stuttgart-Birkach.

Integration von Flüchtlingen

In all diesen Jahren aber habe er sich nie wirklich von dem entfernt, was er in seiner Zeit in Kanada kennengelernt habe: dem Umgang mit Behinderten. Themen wie Integration und Teilhabe hätten stets im Fokus seiner Forschung oder seiner Gemeindearbeit gestanden. Inzwischen fasse er dieses Thema allerdings noch weiter. In der aktuellen Situation müsse es auch verstärkt um die Integration von Flüchtlingen gehen. „Wie bei den Behinderten auch kann es nicht immer nur darum gehen, dass wir Angebote machen“, sagt Wendte. Er möchte erreichen, dass sich diese Menschen selbst präsentieren – mit ihren Talenten, ihren Eigenheiten und ihrer Kultur. „Es ist gut, dass die Stelle zweigeteilt ist“, sagt Wendte. Diese Anliegen könne er am besten in seiner Funktion als Friedenskirchenpfarrer aufgreifen.

Bis es so weit ist, muss der neue Pfarrer aber erst einmal die Stadt und die Kirchengemeinde noch besser kennenlernen. Martin Wendte ist erst vor drei Wochen mit seiner Frau und den drei Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren nach Ludwigsburg gezogen. Am Sonntag, 2. April, wird er in sein neues Amt eingeführt.