Hinter Kniepatient Martin Strobel liegt eine Zwangspause von 280 Tagen. Foto: imago/Noah Wedel

Der lange verletzte Nationalspieler Martin Stobel bestreitet am Donnerstag sein erstes Heimspiel in diesem Jahr für den HBW Balingen-Weilstetten. Schafft er noch den Sprung zur Europameisterschaft im Januar?

Stuttgart - Die Leidenszeit hat ein Ende. Nach mehr als 280 Tagen Zwangspause wegen eines Kreuzbandrisses machte Martin Strobel am Sonntag in Minden wieder die ersten Gehversuche in der Handball-Bundesliga. Die nächsten sollen schon am Donnerstag (19 Uhr) folgen, dann in der heimischen Sparkassenarena des HBW Balingen-Weilstetten. Dort steht dem 33-Jährigen ein warmherziger und emotionaler Empfang bevor – so viel ist garantiert.

Denn selten hat eine Verletzung die Handball-Nation so bewegt wie die von Strobel. Der Routinier war quasi im Nachrückverfahren auf den Zug zur Heim-WM aufgesprungen und überzeugte bei seinem Comeback im Nationaltrikot auf Anhieb als Spielmacher – bis zu jenem 21. Januar im Hauptrundenspiel gegen Kroatien, als er sich quasi einen Totalschaden im linken Knie zuzog.

HBW Balingen-Weilstetten ist wieder erstklassig

Kreuz- und Innenbandriss lautete die niederschmetternde Diagnose nicht nur für Strobel, sondern auch für die Nationalmannschaft, die daraufhin ihre großen Ambitionen begraben musste. „Mit Martin hätten wir eine Medaille geholt“, sagte später Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes. Ehre, wem Ehre gehört. Schließlich stieß der 33-Jährige von einem Zweitligisten auf die große Bühne, nicht wenige Experten hatten ihre Zweifel, die der Mittelmann bei seinen Einsätzen dann aber rasch zerstreute. Dank seiner Ruhe und Routine, mit der er das Spiel der Mannschaft steuerte wie sonst kein Zweiter.

Seine Mannschaftskollegen im Verein haben das besser kompensiert und sind im Sommer nach zweijähriger Abstinenz in die Bundesliga aufgestiegen, in der der HBW bisher einen glänzenden Eindruck hinterlässt. Als Regisseur wurde Strobel von dem Ex-Magdeburger Juan de la Pena vertreten, vor allem aber auch von Lukas Saueressig, einem waschechten Eigengewächs des HBW. Nicht das einzige im Team, gleich sieben Spieler stammen aus dem eigenen Nachwuchs und der zweiten Mannschaft, „und ich möchte keinen von ihnen missen“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Strobel.

Vorfreude auf das Heimspiel gegen den TVB Stuttgart

Er zieht gleichzeitig den Hut vor seinem Bruder und ehemaligen Mitspieler, wie der sich in den vergangenen schweren Monaten wieder rangekämpft hat an den Kader von Trainer Jens Bürkle. Er schuftete im Kraftraum, holte ärztlichen Rat ein und nahm sich alle Zeit, die er brauchte. So ist auch der künftige Plan. „Er soll langsam an die Mannschaft herangeführt werden“, sagt Wolfgang Strobel. Quasi im Minutentakt.

Auch im Derby gegen den TVB gilt das, selbst wenn Martin Strobel sagt: „Das ist immer ein besonderes Spiel.“ In dieses geht er in dem Fall mit gemischten Gefühlen, weil er natürlich auch mehr als früher in seinen Körper hineinhorchen wird. „Aber die Vorfreude überwiegt“, sagt er mit Blick auf eine stimmungsvolle und ausverkaufte Sparkassenarena, die nicht umsonst Hölle Süd genannt wird. In dieser Saison hat es dort zwar bereits zwei (knappe) Niederlagen gegen die HSG Wetzlar und den HC Erlangen gegeben, aber eben auch die kleine Sensation zuletzt gegen die Füchse Berlin und die große beim 36:23-Kantersieg gegen das Topteam MT Melsungen. Spätestens seither ist jedem Gegner klar: Um bei den Galliern auf der Alb – wie die Balinger sich nennen – zu gewinnen, braucht es einen Zaubertrank, auch wenn die Stuttgarter mit dem überraschenden Punktgewinn gegen Meister SG Flensburg-Handewitt zuletzt ebenfalls neues Selbstvertrauen geschöpft haben. „Aber Balingen wird eine mindestens genauso schwere Aufgabe“, weiß Trainer Jürgen Schweikardt. Die Emotionen kochen dort hoch, das musste einst auch der THW Kiel erfahren, der vor nun fast zehn Jahren beim 37:39 seine damals erste Saisonniederlage kassierte.

Der Bundestrainer hat Martin Strobel noch nicht abgeschrieben

Strobel, der zwischenzeitlich mal fünf Jahre in Lemgo gespielt hat, verkörpert mit seiner Bodenständigkeit die Balinger Tugenden wie kein anderer. Und diese Vorzüge sind eben auch in der Nationalmannschaft gefragt. Bundestrainer Christian Prokop jedenfalls hat Strobel für die EM im Januar noch nicht abgeschrieben, zumal ihm auf der Mittelposition in Simon Ernst und Tim Sutton bereits zwei Stammspieler ausfallen – wegen Kreuzbandrissen. Strobel selbst will sich nicht unter Druck setzen: „Es ist schwer, jetzt eine Prognose abzugeben. Die Zeitspanne ist sehr kurz, auch wenn sie für manche lang erscheint.“

Alles eine Frage des Blickwinkels, das weiß auch Prokop. Der hatte zuletzt frohlockt: „Wunderbar, dass Martin Strobel zurückkommt.“ Aber ihm ist auch die Problematik bewusst. „Wir müssen zusammen entscheiden: Wie fühlt er sich, wie kommt er in die Bundesliga rein?“ Zumindest eine kleine Antwort wird bereits das Derby liefern.